Im Land des Falkengottes. Amenophis
selbst waren alle Würdenträger des Südens, Priester und ausländische Gesandte, versammelt. Die Straßen, die zum königlichen Palast führten, waren über und über gefüllt von den ganz normalen Bewohnern. Alle trugen festliche Kleidung, Blumen schmückten ihre Perücken, und der Jubel der Menschen war groß.
Nach der Begrüßung durch den Wesir und die Obersten Priester begaben sich Nimuria und Teje zuerst in den großen Tempel, um dort Amun, dem Verborgenen, zu opfern. Danach zog das Herrscherpaar jedoch nicht durch die seitlichen Zugänge zum Palast, sondern wurde von zwölf Nubiern in einer Sänfte über die breite Prachtstraße durch die Stadt getragen.
In der Festhalle des Palastes ließen sich Nimuria und Teje auf ihren Thronen nieder, hinter ihnen stand die Amme mit Prinz Thutmosis auf ihrem Arm. Sie nahmen die Huldigungen der Fürsten Oberägyptens und der ausländischen Gesandten sowie den Bericht des Wesirs Ptahmose entgegen.
Nach der Audienz bat Nimuria meine Eltern, Acha und Iset, Ptahmose, mich und Merit zu sich.
«Seit unserem letzten Aufenthalt in Waset hat sich unser Kreis deutlich erweitert. Ich wünsche, dass unser Aufenthalt so beginnt, wie der letzte hier geendet hat, nämlich auf der Terrasse des Palastes.»
Und zu Acha, Iset und Merit gewandt, sagte Amenophis: «Ihr werdet sehen, der Ausblick von dort oben lohnt sich, und ich bin mir sicher, ihr werdet noch eine Weile gerne dort meine Gäste sein. Dies gilt natürlich für unseren Aufenthalt ganz allgemein. Acha, für dich und Iset sind Räume im Palast vorbereitet. Eje kennt seine Gemächer und wird sie Merit sicher gleich zeigen. Dasselbe gilt natürlich für euch, Juja und Tuja. Ptahmose, Ihr allein befindet Euch in der glücklichen Lage, in Waset ein eigenes Heim zu besitzen. Gleichwohl erwarte ich auch Euch heute eine Stunde vor Sonnenuntergang auf der Terrasse.»
Wir alle verneigten uns tief und verharrten so, bis die königliche Familie zwischen Wedelträgern den Audienzsaal verlassen hatte.
«Merit und Eje», begann dann mein Vater. «Ihr könnt euch schon zurückziehen. Ich bringe Iset und Acha in ihre Gemächer. Wir treffen uns später in der Halle vor der Terrasse!»
Danach trennten wir uns.
Langsam durchschritten Merit und ich Raum für Raum, und fast überall wusste ich etwas zu erzählen. So dauerte es, ehe wir unsere Gemächer erreichten. Wie damals in Men-nefer, als Merit zum ersten Mal in den Palast kam, blieb ich vorder Türe stehen und sagte zu ihr: «Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, wenn du gleich meine bescheidenen Zimmer betrittst!»
«Ich bin schon sehr neugierig, welche Überraschung diesmal auf mich wartet.»
Merit schob mich ganz sachte zur Seite und öffnete die schwere Türe. Ich war beruhigt, denn es hatte sich fast gar nichts verändert. Alle Räume waren noch so, wie ich sie verlassen hatte. Es gab nur eine unauffällige Änderung, die ich dennoch bemerkte: Ameni hatte mir ein neues, größeres Bett in mein Schlafgemach stellen lassen. Ich verstand den Wink meines Freundes und war für die Aufmerksamkeit sehr dankbar.
Merit durchschritt langsam Raum für Raum, berührte vorsichtig, ja zärtlich Figuren und Möbelstücke und blieb zuletzt am Fenster, welches zum Palastgarten zeigte, stehen.
«Du hattest Recht, Eje. Dieser Palast wirkt ganz anders als jener in Men-nefer. Ich fühle mich hier sofort ungleich wohler, geborgener. Alles strahlt eine einzigartige Ruhe und Behaglichkeit aus.»
«Dieser Palast hat nicht die protzige Kühle von Men-nefer, dieses unnahbar Erhabene. Hier ist Leben und Zufriedenheit. Ja, man spürt es in jedem Raum.»
Meiner alten Gewohnheit folgend, setzte ich mich in das Fenster, umklammerte mit den Händen die angewinkelten Knie und beobachtete Merit, die neben mir stand und regungslos in den Garten schaute.
«Hier werden wir in Glück und Frieden leben, Eje, das weiß ich», sagte sie, doch ihr eher trauriger Blick ließ mich daran zweifeln, dass sie das ernst gemeint hat.
Ich glaube, in Wirklichkeit hatte sie Heimweh.
Senu, Nefta und die anderen Diener würden noch lange mit dem Einräumen unserer Sachen beschäftigt sein, und so zeigteich Merit den Rest der Palastanlage, vor allem die Gärten. Dort trafen wir auf Sessu, den Obergärtner Seiner Majestät.
Der kleine Mann, dessen Haut von der Sonne zu Leder gegerbt war, freute sich über das Wiedersehen und verneigte sich ehrfurchtsvoll vor uns. Ich erzählte ihm, dass wir seltene Pflanzen, Bäume und
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