Im Land des Falkengottes. Amenophis
hineinbiss, sagte: «Und was treiben meine Übeltäter von Waset? Hat man mich wieder bestohlen und betrogen, während ich abwesend war?»
«Nein, Majestät. Davon ist mir nichts bekannt. Allerdings findet morgen die Hinrichtung eines Mörders statt, der mit einer Axt zwei Frauen erschlug. Es war keine schöne Sache, aber er war geständig. Morgen gegen Mittag wird das Urteil vollstreckt.»
Mich überraschte, ja entsetzte, mit welcher Gefühllosigkeit Ptahmose von diesem Gerichtsfall sprach.
«Welcher Herkunft ist dieser Mann, Ptahmose?», fragte Amenophis. Ptahmose schüttelte fast unmerklich den Kopf.
«Ihr werdet es nicht glauben, Majestät, aber der Mann war Kopfschlächter im Tempel der Hathor. Er wusste, wie er zuschlagen musste.»
«Ptahmose, habt Ihr schon viele Todesurteile ausgesprochen?», wollte ich wissen.
Der Wesir zog die buschigen Augenbrauen hoch und zählte still vor sich hin. «Sechzehn. Ja, sechzehn in den acht Jahren meiner Amtszeit als Wesir.»
Ich war angewidert. Ptahmose schnarrte die Zahl vor sich hin wie ein Beamter, der seinem Herrn über die Höhe der Ernteerträge Bericht erstattet. Alle spürten meine Ablehnung, auch Ptahmose selbst.
«Verehrter Eje», fuhr er deswegen fort. «Könnte es sein, dass Ihr Abscheu empfindet? Soweit mir bekannt ist, wart Ihr in Men-nefer anwesend, als Ramose zum Wesir Unterägyptens bestellt wurde und als ihn Seine Majestät, sie lebe, sei heil und gesund, belehrte. Die oberste Gerichtsbarkeit ist ein Teil meines Amtes und, Amun weiß es, wahrhaftig nicht der angenehmste. Der Wesir Ptahhotep lehrte seinen Sohn: ‹Die Gerechtigkeit ist wunderbar, ihre Vortrefflichkeit ist hart. Seit der Zeit von Osiris hat sie sich nicht verändert, und man bestraft den, der die Gesetze vernachlässigt.› Ihr erhaltet von mir – und sicher auch von Seiner Majestät – die Erlaubnis, morgen mit dem Verbrecher zu sprechen. Danach versetzt Euch in meine Lage und macht Euch selbst ein Urteil.»
Alle Anwesenden hörten Ptahmose aufmerksam zu. Jetzt wurden alle Blicke auf mich gerichtet, und Ameni sagte: «Na, Eje, wirst du hingehen? Meine Erlaubnis hast du natürlich. Wenn du Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils hast, so melde es mir, und ich werde den Fall selbst überprüfen.»
«Ich werde mir den Mann ansehen und mit ihm reden.»
Mir war gar nicht wohl, denn ich spürte, dass es mir Amenisehr übel nahm, das Urteil seines Wesirs in Frage gestellt zu haben. Aber was blieb mir jetzt anderes übrig, als mir den Mann anzusehen.
Die Gefängnisse waren zu jener Zeit nicht groß. Die Gefangenen kamen nicht auf Dauer und zur Verbüßung einer Strafe in Haft, sondern blieben nur so lange dort, bis ihr Fall abgeurteilt war. Entweder winkte die Freiheit oder harte Bestrafung: je nach Vergehen Stockschläge in beliebiger Zahl, das Abschneiden von Ohren oder Nase, lebenslanges Arbeiten im Steinbruch oder ein grausamer Tod.
Der Aufseher erwartete mich bereits. Er war etwa vierzig Jahre alt, groß und kräftig gewachsen, trug ein kurzes schwarzes Kinnbärtchen, und hieß Wenamun.
«Der Bunte erwartet Euch schon, hoher Herr», waren seine Begrüßungsworte. Verwundert sah ich ihn an, weswegen er von sich aus ergänzte: «So nennt man den Gefangenen, den Ihr sprechen wollt. Er trägt überall auf seinem Körper farbige Hautbilder – jedenfalls da, wo man es sehen kann. Deswegen nennen ihn alle nur den Bunten.»
Ich traf auf einen Zwanzigjährigen mit rötlichem Haar, weswegen ihm seine Eltern den Namen Sethi gaben, den Namen des feurig-roten Wüstengottes. Er war von hagerer Gestalt und hatte eine auffallend spitze Nase.
Schüchtern und mit einfachen Worten erzählte er mir seine Geschichte. Erst wenige Wochen vor der schrecklichen Tat lernte er auf dem Markt ein junges Mädchen kennen. Nach wenigen Tagen zog er zu dem Mädchen und dessen Großmutter und führte deren Haushalt. Irgendwann blieb die junge Frau drei Tage lang von zu Hause weg, nach den Worten Sethis hatte sie sich bei einem anderen Mann aufgehalten. Als sie zurückkam, entstand zwischen ihr und Sethi ein fürchterlicher Streit, in dessen Verlauf sie ihn als Erbschleicher an ihrer Großmutterbezeichnete und sagte, er solle doch mit der Alten schlafen. Blind vor Wut würgte er sie erst am Hals, bis die Frau zu Boden ging, dann ergriff er eine Axt, die neben der Feuerstelle lag und schlug wie ein Rasender acht oder zehn Mal auf den Kopf des Mädchens ein. Aufgeschreckt durch den Lärm kam die Alte
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