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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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spürte deutlich, wie streng die Oberpriester darauf achteten, dass ich mich in ausreichender Entfernung aufhielt, ehe sie mit ihren Einweisungen begannen. Allerdings war ihnen nicht bekannt, dass ich über fast die gesamte Bootslänge hinweg jedes ihrer Worte verstehen konnte – wenn ich wollte. Ameni, der sich dessen bewusst war, redete deswegen abends, wenn wir alleine in unserer Kabine waren, ganz offen mit mir über die anstehenden Feierlichkeiten.

DREI
    Folge deinem Herzen, solange du auf Erden weilst,
    und feiere einen glücklichen Tag.
     
    J e näher wir dem Ziel unserer Reise kamen, desto dichter war das Land besiedelt. Prächtige Landhäuser und gewaltige Obst- und Weingärten säumten das Ufer. Schließlich war es so weit: Meru gab als Kommandant der Flotte den Befehl, die Schlepptaue einzuholen, nachdem er an Land die Bauern mit ihren Sklaven und den Zugstieren entlassen hatte.
    Auf den Schiffen überprüften die Offiziere alle Segel und Taue. Die Besatzungen und die Soldaten legten frische Kleider und Uniformen an, und die Ruderer nahmen ihre Plätze ein.
    Früh am Morgen, zwei Stunden nach Sonnenaufgang, erblickte ich am Ostufer des Flusses die Tempelanlagen von Waset. Hinter Palmenhainen erkannte ich die strahlend weißen Mauern, die nur von den dahinter liegenden Tempeln und Tortürmen, Obelisken und Fahnenmasten überragt wurden. Dann fuhren wir in den Kanal ein, der zum Tempel des Amun führte.
    Zunächst war er rechts und links von je drei Reihen Palmen gesäumt, dazwischen standen unterschiedlich große Steinfiguren früherer Pharaonen, schließlich öffnete sich der Blickauf ein gewaltiges, rechteckiges Becken, den Hafen von Waset. Ich weiß heute nicht mehr, was mich damals mehr beeindruckt hat: die unvorstellbar prächtige Tempelanlage oder die Vielzahl der davor wartenden Menschen.
    Die Stadt war durch vorauseilende Boten von unserem Eintreffen unterrichtet worden, und so schien ganz Waset auf den Beinen zu sein, als sich die Flotte unter geblähten Segeln und kräftigen Ruderschlägen der Stadt näherte.
    Erst im Hafenbereich verringerten die Schiffe schlagartig ihre Geschwindigkeit, und wie hundertfach geübt legte Schiff für Schiff an der Hafenmauer an. Zuerst zwei Schiffe der Leibgarde, deren Soldaten vollbewaffnet an Land sprangen und ein undurchdringliches Spalier bildeten. Ihnen folgte der Hofstaat, die Großen königlichen Gemahlinnen und meine Mutter, dann Soldaten mit den Särgen der Toten, schließlich die Priester, der Wesir Ptahmose und zuletzt Amenophis, begleitet von den Wedelträgern, meinem Vater und mir.
    Als die Särge an Land getragen wurden, erklang erneut das Wehklagen des ganzen Volkes, man raufte sich die Haare und schlug sich zum Zeichen der Verzweiflung gegen die Brust.
    Der Trauerzug führte direkt in den großen Tempel des Amun. Der Weg dorthin, eine mit Sandsteinplatten belegte, sechzig Fuß breite Straße, war rechts und links von Sykomoren und Weihrauchbäumen gesäumt. Am Ende dieses Weges erwartete uns ein Torturm mit unvorstellbar großen, farbigen Abbildungen verstorbener Herrscher, flankiert von je drei Fahnenmasten, welche den Bau noch überragten. An ihren Enden flatterten gelbe, rote und blaue Fahnen. Hinter dem ersten Torturm lag ein erster Hof, an welchen sich die Vorhalle des Amuntempels anschloss. Diesen Bereich des Tempels durfte das gewöhnliche Volk bereits nicht mehr betreten. Nur Priester, hohe Beamte, Angehörige des Königshauses und natürlich Pharao als der oberste aller Priester und Sohn desAmun fanden in das Innere der Tempelanlagen Einlass. Die weit geöffneten großen Tore waren mit Gold überzogen und zeigten an beiden Seiten, innen wie außen, Darstellungen von Amun in seinen verschiedenen Erscheinungsformen. Die Flächen der Tore waren in je vier Felder unterteilt, dazwischen befanden sich eingelegte Muster aus Lapislazuli, Karneol und rotem Glasfluss. Im Inneren der ersten Halle, in die durch die Toröffnungen grelles Licht strömte, tauchten im Dunst von dicken Weihrauchschwaden entlang der Wände die übergroßen Figuren all der Pharaonen auf, die sich um den Tempel Amuns verdient gemacht hatten. In dieser Vorhalle mussten wiederum einige aus unserem Zug zurückbleiben: einfache Priester, nahezu alle Beamten und die weiblichen Angehörigen des Königshauses einschließlich der Großen königlichen Gemahlin.
    Die Soldaten trugen die Särge in die nächste, die Große Halle des Amun. Ihnen folgten der Wesir, fünf hohe Priester,

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