Im Land des Falkengottes. Amenophis
Tempelanlagen, Palästen, Gärten und Plätzen, auf den Fluss und die daneben liegenden Felder, und jenseits des Flusses auf die Totentempelseiner Vorgänger und dahinter auf das Gebirge, in dessen großem verborgenen Tal sich die Gräber der Pharaonen befanden.
Amenophis verschlug es die Sprache. Sein Blick wanderte immer wieder von Norden über den Fluss nach Westen und von dort weiter nach Süden. Schließlich schüttelte er den Kopf, drehte sich zu uns herum und sagte: «Juja, Eje! So etwas habe ich noch nicht gesehen. Diese Pracht, diese Größe sind überwältigend.»
Dann drehte er sich wieder um und hielt erneut in alle Richtungen Ausschau.
Diener brachten kalte Speisen und gekühltes Bier, und nachdem Ameni seinen Platz eingenommen hatte, durften auch wir uns setzen und zu essen beginnen. Die Hitze der Mittagssonne war nahezu unerträglich, nur durch das Wedeln der Straußenfächer wurde sie etwas gemildert.
«Wo sind meine Mutter und Tuja? Wo ist Teje?», wollte Ameni wissen, und mein Vater verschluckte vor Schreck beinahe einen Olivenkern.
«In ihren Gemächern, nehme ich an, Majestät. Die Hitze wird den Frauen nicht bekommen», suchte mein Vater nach einer Erklärung. Amenophis winkte einem der Diener und hieß ihn, die Frauen gleich auf die Terrasse zu bitten.
«Ihr könnt den Frauen unmöglich diesen Ausblick versagen, Juja. Sie sollen sehen, wie herrlich Waset ist. Wer ist eigentlich der Baumeister der Domänen des Amun?», wollte Ameni wissen.
«Er hat die Ehre, den Namen Eurer Majestät zu tragen und ist der Sohn des Hapu aus Athribis», wusste mein Vater sofort zu antworten.
«Juja, nach der Beisetzung der Toten und nach meiner Krönung werdet ihr den Baumeister Amenophis, Sohn des Hapu, vor meinen Thron bringen, vergesst das nicht!»
Mit einer tiefen Verneigung bestätigte mein Vater den unmissverständlichen Befehl.
Wir aßen und tranken eine ganze Weile, da erschienen Königin Mutemwia, meine Mutter und Teje, begleitet von ihren Hofdamen, aufgeregt auf der Dachterrasse.
«Was ist geschehen, dass du so dringend nach uns rufen lässt?», erkundigte sich Mutemwia mit ganz offensichtlich besorgter Mine.
«Ihr seid ja ganz außer Atem», stellte Ameni mit hochgezogenen Brauen fest. «Ich wollte euch nicht erschrecken. Aber kommt zu mir!»
Er stand auf, umschlang vorsichtig mit seinem rechten Arm Tejes Schulter und ging mit ihr zur Brüstung. Während sich meine Eltern und Mutemwia sprachlos ansahen, blickten Ameni und Teje mit strahlenden Gesichtern hinaus auf die Stadt und das weite Land. Mit seiner linken Hand zeigte er nach Osten und rief: «Das muss der Totentempel von Pharao Hatschepsut Maat-ka-Re sein. Und links daneben?»
«Das ist der Tempel der Millionen Jahre für Osiris Thutmosis», erklärte mein Vater. Diese Auskunft trübte die Stimmung meines Freundes, doch nach einer kurzen Weile des Schweigens fragte er Teje: «Begeistert dich der Anblick ebenso wie mich?»
«Oh ja», flüsterte sie leise. «Aber ich bin mir sicher, dass Ihr aus Waset eine Stadt machen werdet, wie sie noch niemand gesehen hat.»
«Woher willst du das wissen, Teje?»
Ameni war sichtlich erstaunt.
«An Euren Augen, Majestät, erkenne ich, dass Ihr diese Stadt bereits in Euer Herz geschlossen habt. Ihr könnt Eure Begeisterung nicht verbergen!»
Ich hatte damit gerechnet, dass Amenophis diese Bemerkung Tejes verlegen machen würde, aber nein, er genoss sie regelrechtund fühlte sich bekräftigt. Sein rechter Arm lag noch immer auf ihrer Schulter, und wie zur Bestätigung ihrer Worte zog er sie etwas fester an sich heran.
Wir verbrachten noch zwei Stunden auf der Terrasse, und meine Eltern mussten uns alles, jeden Tempel, jedes Haus der uns zu Füßen liegenden Stadt erklären. Erst gegen Abend suchten wir unsere Gemächer auf.
Wie der Palast selbst, so waren auch seine Räume und ihre Ausstattung nicht so groß, nicht so prächtig wie die des königlichen Palastes in Men-nefer. Dafür strömten sie mehr Behaglichkeit aus, und ich hatte den Eindruck, dass dieser Palast besonders liebevoll gestaltet und eingerichtet war. Mein Vater begleitete erst Amenophis in dessen Gemächer, danach gingen wir gemeinsam in die beiden Räume, die für mich bestimmt waren. Zu meiner großen Überraschung waren auch Nefta, die ältere meiner Dienerinnen aus Men-nefer, Senu, mein nubischer Leibwächter, und Cheruef, mein Schreiber, anwesend und erwarteten mich in vollständig eingerichteten Räumen.
«Wie seid ihr denn
Weitere Kostenlose Bücher