Im Land des Falkengottes. Amenophis
unzählige Flusspferde und Krokodile. Schwärme von Wasservögeln stiegen auf, sobald sie die Schiffe bemerkten. In diesen Gegenden konnten die Schiffe nicht gezogen werden. Was Wind und Segel nicht leisteten, mussten jetzt alleine die Ruderer schaffen.
An Land ritten dann Boten Seiner Majestät voraus, um bei nächster Gelegenheit ausreichend Bauern, Sklaven und Zugtiere bereitzustellen. Die Gutsbesitzer, die Verwalter der Tempeldomänen und die Bauern waren über diese Zwangsarbeit natürlich verärgert, da Erntezeit und niemand entbehrlich war. Aber den Anordnungen seines Herrschers wagte sich niemand zu widersetzen, auch wenn der Arbeitseinsatz offiziell ein freiwilliger war.
Die Abende verbrachten wir mit den unterschiedlichsten Beschäftigungen. Bei Einbruch der Dämmerung, wenn die schlimmste Tageshitze überstanden war, genossen wir ein ausgiebiges Mahl mit Gemüse, getrocknetem Fleisch und Obst. Meist tranken wir Trauben- oder Granatapfelsaft, manchmal auch Wein oder Bier. Das hing etwas von der Laune meines Vaters ab und davon, was wir nach dem Abendessen noch vorhatten. Manchmal saßen wir nur da, hörten dem Harfenspieler zu, sahen in den Nachthimmel, und ein jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Ab und zu spielten wir Senet. Amenophis hatte die größte Freude, wenn er wieder und wieder seine Steine geschickter setzte und meinen Vater oder mich besiegen konnte. Nur mit Kommandant Meru hatte er kein Glück. Nach dessen eigenen Erzählungen war er der beste Senetspieler von ganz Unterägypten. Meru merkte sehr schnell, dass es nicht gut war, seinenHerrscher – wenn auch nur im Senet – zu besiegen. Da er aber auch nicht absichtlich verlieren wollte, suchte er immer öfter Ausflüchte, um nicht mit Ameni spielen zu müssen. Einmal war es eine Nilpferdherde, die unserer Flotte gefährlich näher kam, einmal Untiefen des Flusses, die außer ihm niemand kannte, und ein andermal waren Taue der Segel ineinander verschlungen. Es war nicht nur so, dass an Pharao keine Schwäche gefunden werden durfte, weil er der Herrscher war. Amenophis war in diesen Dingen wirklich ein schlechter Verlierer. Das wusste ich schon länger als Meru.
An anderen Abenden saßen wir stundenlang unter dem Baldachin und hörten meinem Vater zu. Er verstand es, uns von allen zwanzig Gauen, ihren Städten und deren Göttern zu berichten, ohne dass wir Langeweile empfanden. So kam es, dass er uns Unterricht erteilte und er Amenophis auf sein Amt vorbereitete, ohne ihn spüren zu lassen, dass er der Lehrer und Amenophis nicht der Herrscher, sondern noch immer Schüler war.
Manchmal sorgte mein Vater dafür, dass nach dem morgendlichen Aufenthalt an Land einer der Oberpriester auf unser Schiff kam, um uns ebenso zufällig wie ausführlich von den Göttern der Beiden Länder und den Pflichten des Pharaos als dem obersten aller Priester zu erzählen.
Gleich, wer vor Amenophis erschien, ein jeder beteuerte, dass es das heiligste Anliegen Pharaos sein müsse, die Tempel des Gottes, dessen oberster Priester er war, zu vergrößern, sie noch prächtiger auszustatten und den Domänen noch mehr Land zu geben. In Amenophis hatten sie den aufmerksamsten Zuhörer, den sie finden konnten. Hatte er sich schon vorher für Tempelbauten interessiert, so wurde auf dieser Reise endgültig der Grundstein gelegt für seine Freude, Prachtbauten zu errichten.
Amenophis verfügte über die Gabe, sich die Beschreibungender Tempel bis hin zu deren Baumaterial, deren Größe und Lage im Detail zu merken. Dies versetzte ihn in die Lage, noch im Gespräch mit dem Priester grobe Bau- oder Umbaupläne zu entwickeln und das zu verbauende Gesteinsmaterial nach Art und Farbe vorzuschlagen. Manchmal ging seine Vorstellungskraft so weit, dass er gemeinsam mit den Priestern Götterstatuen aussuchte und sogar deren künftigen Platz im Tempel festlegte.
Ich beteiligte mich an diesen Gesprächen nur wenig, zumal ich mir nicht vorstellen konnte, woher Amenophis all das Gold zur Umsetzung seiner Pläne nehmen wollte. Deswegen hielt ich Vieles davon schlichtweg für unausführbar. Ich sollte mich gewaltig täuschen.
Anfangs hatte ich die an uns vorübergleitende Landschaft und ihre Menschen recht gedankenlos beobachtet. Da dies dauerhaft eine langweilige Beschäftigung war, suchte ich nach Unterschieden in der Art der Bearbeitung der Felder, ihrer Bepflanzung und Bewässerung.
Man unterschied bei uns grundsätzlich drei Arten von Feldern. Diejenigen, die alleine
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