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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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durch die jährliche Überschwemmung des Flusses ausreichend bewässert wurden, und solche, die künstlich bewässert werden mussten, da sie etwas höher lagen. Erstere nannte man Frischfeld, wenn sie erstmalig bewirtschaftet wurden. Sie brachten die reichsten Erträge und wurden deswegen auch am höchsten besteuert. Waren sie bereits bewirtschaftet, hießen sie verbrauchtes Feld und fielen in die zweite Steuerklasse. Die Hochfelder, die künstlich bewässert werden mussten, brachten die geringsten Erträge und wurden deshalb der Steuerklasse drei zugeordnet.
    Je näher man an ein Dorf kam, umso hochwertiger war der Anbau. Gemüsefelder mit Lauch, Zwiebeln und Gurken wollte man natürlich in der Nähe haben, da sie intensivePflege benötigten und Diebstahl durch Mensch oder Tier leichter bemerkt und somit unterbunden werden konnte. Außerdem musste man das Gemüse zum täglichen Verzehr nicht so weit transportieren.
    Die Obstgärten mit Granatäpfeln, Datteln, Feigen und Weinstöcken befanden sich ebenfalls in Dorfnähe. Jeweils im Norden der Dörfer lagen die Fischerhütten am Fluss. Durch diese Lage war gewährleistet, dass der Abfall und der Gestank, der beim Ausweiden und Trocknen der Fische anfiel, nicht das ganze Dorf verpesteten, sondern mit dem Wasser nach Norden abtrieb. Das Gleiche galt natürlich für die Schlachtereien. Immer wieder fuhren wir auch an Reinigungszelten der Balsamierer vorbei. Sie waren schon von weitem an dem in großen Haufen gelagerten Salz erkennbar, das für die Austrocknung der Toten gebraucht wurde. Waren die Balsamierer gerade bei der Arbeit, schlug sich deren Anblick auf die Stimmung der Schiffsbesatzungen nieder, es dauerte dann eine ganze Weile, ehe wir wieder unsere Gespräche aufnahmen.
     
    So verging Tag für Tag unserer langen Reise, bis wir eines Tages bei meinem Vater eine deutliche Nervosität verspürten. Immer wieder suchte er den Sitzplatz am Bug unseres Schiffes auf und starrte nach Süden, oder er tuschelte mit Meru.
    Beim Abendessen war mein Vater von geradezu übertriebener Höflichkeit gegenüber Amenophis und mir, erlaubte uns Wein zu trinken, reichte uns immer wieder selbst die Platten mit Obst oder Pistazienkernen.
    «Was ist heute mit dir los, Vater?», wollte ich endlich das Geheimnis gelüftet haben. «Du bist zuvorkommend, dass es richtig auffällig ist.»
    Vater strahlte.
    «Ja, Eje hat Recht. Was ist, Juja?», setzte Ameni nach.
    «Morgen sehr früh wird unser Zug Achmim, meine Heimatstadt,erreichen. Ich war vor sechzehn Jahren, vor Ejes Geburt, zum letzten Mal hier. Ich wäre der glücklichste Mensch, wenn Ihr, Majestät, mir morgen die Ehre erweisen würdet, mit mir und Eje auf dem Wagen durch die Stadt zu fahren.»
    «Warum soll das so schwierig sein, Juja?», fragte Ameni.
    «Das Protokoll sieht nicht vor, dass sich Seine Majestät länger als unbedingt nötig in Städten und Dörfern entlang des Flusses aufhält.»
    «Wer lebt in dem Haus, in welchem ihr früher wohntet?», erkundigte sich Amenophis.
    «Baki, der Bruder meiner Frau, mit seiner Familie. Er wurde mein Nachfolger als Priester des Min. Das Anwesen kam auch nicht von meiner Familie auf uns, sondern von Tujas Familie.»
    «Ich möchte Euren Schwager kennen lernen und das Haus sehen, Juja, gleich morgen früh. Meine Mutter, Tuja und Teje werden auf einer Sänfte nachkommen.»
    Noch während Amenophis redete, wurden die alten Augen meines Vaters immer heller, sein ohnehin breiter Mund verzog sich zu einem glücklichen Lächeln, wie man es nur selten sah. Er kniete nieder, ergriff geradezu zärtlich die rechte Hand seines Herrschers und küsste sie.
    «Ich werde alles veranlassen, Amenophis! Wir werden so wenig Zeit wie möglich verlieren! Ich verspreche es Euch!», sprudelte es aus meinem Vater heraus, und er merkte gar nicht, dass er seinen Herrscher in der vertraulichen Anrede angesprochen hatte.
    Der Rest des Abends verlief in fröhlicher Ausgelassenheit, und ich glaube, Vater hat an diesem Abend mehr Wein getrunken als sonst. Ohne Unterbrechung erzählte er uns eine Geschichte nach der anderen aus seiner Jugend, und ich bin sicher, Mutter wäre nicht mit jeder einverstanden gewesen.
    Am folgenden Morgen legte Ameni wie gewohnt den Prunkkragen und den Gürtel um, setzte das Nemes-Kopftuchauf, stieg in die goldenen Sandalen, legte den Schmuck an und ließ die Dienerin die schwarzen Lidstriche ziehen. Da die Trauerzeit bereits fünfzig Tage dauerte, trug Ameni den unansehnlichen Flaum eines

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