Im Land des Falkengottes. Echnaton
wirklich an die Göttlichkeit dieser Figuren glaubt oder nicht, aber eines weiß ich als Arzt dennoch: Jede Frau ist ruhiger in ihrer Schwangerschaft und sieht der Geburt ihres Kindes gestärkter entgegen, wenn sie sich an diese Bräuche hält.»
«Wahrscheinlich hast du Recht», sagte ich, um dieses Gespräch zu beenden, denn es hätte nur zu einem Streit geführt. Am liebsten hätte ich jeden dieser hässlichen Zwerge in den Nil geworfen oder an der Wand zerschellt. Hatte einer von ihnen Merit genützt? Nein, gewiss nicht.
Am anderen Tag musste ich mir sowohl von Ti als auch von Nafteta Vorwürfe anhören.
«Musstest du dich ausgerechnet vor deiner schwangeren Tochter über heilige Figuren lustig machen!», hielt mir meine Frau vor. Und Nafteta sagte wenig später: «Du weißt, dass ich wie Amenophis im Grunde nicht viel von diesen Dingen halte. Aber du hast doch gemerkt, wie ernst es Ti war. Auf sie hättest du wenigstens Rücksicht nehmen können. Und schaden können diese Figuren wirklich nicht.»
«Lächerlich», dachte ich bei mir und beschloss, nie wieder mit einer Frau über Bes und Thoeris zu sprechen. Wie konnten erwachsene Frauen wirklich an Furcht erregende und doch so harmlose Tonzwerge glauben! Und an Flusspferde mit Hängebrüsten, Krokodilschweif und Löwentatzen!
«Das wirkliche Übel sitzt woanders», sagte Amenophis zu mir, als wir wenige Tage später noch einmal über jenen Abend sprachen.
«Die Ägypter sind von jeher zum Aberglauben erzogen, Eje. Für alles und gegen alles gibt es bei uns eine eigene Gottheit. Und es werden ständig mehr! Mein Vater ließ vor drei Monaten sogar eine Götterfigur der Ischtar von Ninive nach Waset kommen. Er glaubte, nur noch sie könnte ihn von seinen Zahnschmerzen befreien, nachdem der göttliche Imhotep, Sachmet und alle ihre Ärzte versagt hatten. Ich wollte es nicht glauben, aber es ist wahr: Ischtar von Ninive», wiederholte er zur Bekräftigung und erhob wie ein Lehrer den rechten Zeigefinger.
«Und hat ihm die Göttin aus Mitanni geholfen?», fragte ich.
«Ich kann es dir nicht sagen. Aber die Zahnschmerzen ließen irgendwann nach, und mein Vater schickte die Figur nebst reichlich Gold an König Sutarna zurück. Was verlangst du also von Frauen, wenn Pharao selbst solchem Zauber erliegt?»
«Lieber Amenophis: Allein die Tatsache, dass mir dein Vater kein Wort von dieser so wundertätigen Figur erzählt hat, scheint mir ein Beleg dafür zu sein, dass er sich des Aberglaubens, dem er anhing, bewusst war. Aber wie du schon erwähntest, haben Aberglauben und Magie in Ägypten eine lange und ruhmreiche Vergangenheit. Ich fürchte, daran wirst auch du nichts ändern können.»
«Wir werden es sehen», war die knappe Antwort des Prinzen.
In den folgenden Wochen nahm mich der Thronfolger doch weniger in Anspruch, als ich zunächst angenommen hatte. Von ihm war nicht viel zu sehen und zu hören, und ich erfuhr nur, dass sich der Bildhauer Thutmosis, der Maler Nebamun und die Baumeister Hor und Suti nahezu täglich für mehrere Stunden im Palast des Prinzen aufhielten. Es bedurfte keiner sonderlichen Vorstellungskraft, um zu erahnen, was dabei vor sichging. Ich aber schwieg, denn er hatte mich nicht um meinen Rat gefragt, und ich wollte sehen, wann er von sich aus auf mich zukam, um mich in seine Vorhaben einzuweihen. Eines aber war sicher: Was immer es war, er brauchte mich, um sich der Zustimmung Pharaos gewiss zu sein.
Ich hatte jetzt endlich Zeit, das zu tun, wonach ich mich am Tag der Abreise Amenis so gesehnt hatte: mich auszuruhen und mich mehr um Ti und Mutnedjemet zu kümmern. Wir unternahmen gemeinsame Fahrten in das Schilfdickicht südlich von Waset, und ich zeigte meiner kleinen Tochter, wie man mit Lockvögeln und Wurfhölzern Wildenten jagt. Ich konnte noch immer recht geschickt damit umgehen, denn nach kaum einer Jagd kehrten wir mit weniger als zehn Enten zurück.
Die wenigen Wochen der Ruhe und Erholung, die mir Amenophis gegönnt hatte, vergingen viel zu schnell, und dennoch war ich hocherfreut, als ich mit ihm wieder die ersten Ausfahrten unternehmen konnte. Es waren nur sehr kurze Streifzüge in die unmittelbare Umgebung von Waset, denn der Prinz wollte Nofretete bis zur Geburt ihres ersten Kindes nicht über Nacht allein lassen. Wenn wir uns innerhalb der Stadt aufhielten, um Getreidespeicher, die Lagerhäuser am Hafen oder die königlichen Werkstätten zu besuchen, ließen wir uns in einer Sänfte tragen und von Soldaten,
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