Im Land des Falkengottes. Echnaton
umschlungen ein, zufrieden, glücklich. Ja, unendlich glücklich.
Das Gedränge vor dem Palast wurde immer dichter, je näher man kam. Die Wachen hatten Mühe, all jene Menschen zurückzuhalten, die etwas von der Schönheit und der Pracht, welchedie Gäste der Pharaonen umgab, miterleben wollten. Sie sahen die Frauen mit den neuesten Perücken, den neuesten Halskragen und Kleidern, wie man sie offenbar erst seit gestern trug. Weiß, lang und Falten waren die drei Zauberworte dieser Tage. Kein Kleid konnte lang genug sein, und jede versuchte, die anderen in der Zahl der Falten zu übertreffen. Und weiß mussten die Kleider sein, blütenweiß! Wer etwas anderes trug, war eine Ahnungslose aus der Wüste. Ich muss gestehen: Die Männer waren nicht besser. Ihre weißen Schurze waren knöchellang, mehrfach gewickelt, und auch sie schienen nur aus Falten zu bestehen.
Waen-Re und Aper-el hatten sich für Akazienblüten entschieden. Überall im Land standen die Bäume in voller Blüte, und so war der ganze Palast eingetaucht in ein einziges Meer von Akazienblüten. Ein süßlich schwerer Duft lag in jedem Raum, und selbst die offenen Höfe ertranken in diesem Duft. Unzählige Fackeln, Kerzen und Öllampen tauchten den Palast in ein unwirkliches Licht, dessen Leuchtkraft nicht bis zur Decke reichte, sondern sie im schwarzen Nichts verschwinden ließ. Die Wände aber wurden angeleuchtet, und das Flackern der Kerzen und Fackeln ließ die dort abgebildeten Figuren Tänze aufführen, ja alle Bilder schienen in Bewegung, als wollten die dort Abgebildeten teilhaben an dem Rausch der Sinne, dem sich die Feiernden jetzt hingaben.
Und es war ein wahrer Rausch der Sinne, wie ihn nur die Ägypter so vollkommen feiern konnten. Die Augen wurden ebenso zufrieden gestellt wie die Nase, der Gaumen und die Ohren. Damals, bei der Krönung meines Freundes Ameni, hatte ich noch nicht gewusst, was die Erwachsenen mit dem «letzten Sinn» meinten. Jetzt lächelte ich in mich hinein und sah Ti verliebt an.
Alle Säle waren dicht besetzt, und die Palastdiener hatten alle Hände voll zu tun, jedem seinen Platz zuzuweisen. Gemeinsam mit Amenophis, dem Sohn des Hapu, den beiden Wesiren undihren Frauen sowie mit Acha und Iset saßen wir bei der königlichen Familie. Aus dem Nebensaal hörten wir erst Fanfaren, dann Hochrufe und fröhlichen Jubel, der immer näher kam. Die Herrscher erschienen. Jetzt erschallten auch bei uns die Fanfaren, wirbelten die Trommeln, und alle warfen sich zu Boden. Ich war schon im Begriff, das Knie durchzubeugen, da erinnerte ich mich dessen, was Pharao mir am Morgen sagte: Zeit meines Lebens brauchte ich mich nicht mehr vor den Majestäten in den Staub zu werfen. Es war ein eigenartiges Gefühl. Um mich herum lagen alle am Boden und auch Ti und der alte Amenophis, Sohn des Hapu, machten da keine Ausnahme, selbst wenn dieser aus Gründen seines Alters nur das rechte Knie durchbeugte und sein Haupt demütig nach unten neigte.
So sah ich sie in den Saal kommen, prächtig anzusehen wie nie. Die beiden Herrscher trugen nur das Nemes-Kopftuch mit einem goldenen Stirnreif, breite Schulterkragen und einige Armreife. Auf die übrigen Insignien ihrer königlichen Würde hatten sie verzichtet. Teje und Nofretete hingegen zierte über feinsten Leinengewändern der erlesenste Schmuck aus den Schatzkammern Ägyptens. Teje trug über ihrer Perücke ein Diadem, auf dessen Rand kleine goldene Löwen Gazellen und Antilopen jagten. Ihren Schulterkragen zierten Edelsteine von einer Größe und Reinheit, wie ich sie noch selten gesehen hatte: Rubine und Smaragde, so groß wie Taubeneier, und dazwischen ein wahres Meer von Diamanten.
Nafteta trug den Halskragen, welchen ich ihr geschenkt hatte, dazu mehrfarbige Armreife und große Scheibenohrringe. In ihre Perücke waren mehrere hundert Silber- und Karneolperlen eingearbeitet.
Man sah Amenophis und Teje an, wie stolz sie auf ihren Sohn waren, mögen sie auch manchmal Zweifel an der Richtigkeit der Mitregentschaft geplagt haben. Hätte ich den jungen Herrscher nicht so gut gekannt, würde ich ihn an diesem Tag für einen arroganten und stolzen Prinzen gehalten haben. Als er den Saalbetrat, sah er mit starrem Blick über alle hinweg, mit dem geradezu überheblichen Blick eines jungen Despoten, der nur durch einen Streich des Schicksals unverdient nach Krone und Krummstab greifen konnte. Ich wusste aber, dass es nicht Unbescheidenheit oder Verachtung waren, die aus diesem Gesicht sprachen,
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