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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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sie Flöte, ihre Augen waren ein wenig nachdenklich nach unten gerichtet. Ihr linkes Ohr, an dem ein goldener Scheibenohrring hing, war frei. Die Haare ihrer Perücke bedeckten die rechte Brust und versteckten so etwas deren Nacktheit, links fielen sie in dicken Strähnen über die Schulter.
    «So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen», sagte ich erstaunt, ohne meine Blicke von dem Bild abzuwenden.
    «Mach weiter, Nebamun», sagte Amenophis und umfasste meine Schulter, um mir so zu bedeuten, dass es Zeit war, wieder zu fahren.
    «Vollende Dein Grab ordentlich, Nebamun. Aber wenn Du hier fertig bist, wirst Du nur noch für mich arbeiten. Dein Können wird nicht länger im Verborgenen bleiben. Alle Welt wird sehen, was wir zu schaffen im Stande sind. Eile Dich also!»
    Nebamun hatte während all der Zeit kaum ein Wort gesagt, aber ich sah, wie stolz er war. Überdies war er glücklich, dass er von Pharao die Erlaubnis bekommen hatte, die Welt so zu zeigen, wie seine Augen sie sahen.
     
    In den folgenden Tagen rief Amenophis Waen-Re auch die anderen Künstler wieder zu sich, den Bildhauer Thutmosis, die Baumeister Hor und Suti und die Steinmetze Bek und Men. Thutmosis brachte seinem jungen Herrscher eine kleine Statue aus gelbem Speckstein, die Amenophis und Nafteta nebeneinander auf weichen Kissen sitzend zeigte.
    Die Statue mochte etwas höher als eine Elle sein. Pharao trug das Nemes-Kopftuch mit dem Uräus auf der Stirn, und in der rechten Hand hielt er Krummstab und Geißel, deren obere Enden auf seiner Schulter und dem unteren Teil des Tuches lagen. Thutmosis hatte jedoch auf Zeremonialbart, Schulterkragen und Prunkdolch verzichtet. Der linke Arm des Herrschers ruhte zur Hälfte auf seinem linken Bein, zur anderen Hälfte auf dem rechten Bein der Großen königlichen Gemahlin. Nafteta trug ein schlichtes Beutelkopftuch und ein knöchellanges Gewand, das ebenso üppig gefaltet war wie der Schurz ihres Gatten. Ihr rechter Arm umschlang die Hüften des Herrschers, und sie hielt ihre Hand wie zur Unterstützung unter dessen rechten Ellbogen. Das Gesicht war – wie auch der übrige Körper beider Figuren – ganz nach der Natur dargestellt. Da waren die aufgeworfenen, aber scharf abgegrenzten Lippen Pharaos, die schlanke, doch fleischige Nase, die hervorstehenden Backenknochen, die großen Ohren mit den deutlich sichtbaren Löchern für die Ohrringe.
    Und da war vor allem der für einen Mann dieses Alters zugroße, schwabbelige Bauch, die fast weibischen Brüste und prallen Oberschenkel. Hätte es jemals ein Künstler vor Thutmosis gewagt, so sehr von der als göttlich gewollten und vollkommenen Form eines Herrschers abzuweichen, er wäre noch am selben Tag, da er sein beleidigendes Werk gezeigt hätte, den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen worden. Pharao durfte bisher einfach keinen Hängebauch haben, keine weibischen Brüste und breite Querfalten darunter.
    Aber auch Nafteta war ganz nach der Natur abgebildet, mit den prallen Oberschenkeln einer reifen Frau, doch ansonsten ohne jeden Makel, vollkommen, wie sie wirklich war. Entgegen den sonstigen Gewohnheiten fehlten auf beiden Figuren die königlichen Namenszeichen, denn es war für jeden Betrachter zweifelsfrei erkennbar, wen er vor sich hatte: Amenophis Waen-Re und Nofretete.
    «Seht Ihr», sagte der junge Pharao, und es war nicht nur Stolz, der in seiner Stimme lag, sondern die Ankündigung noch viel weitergehender, ungeahnter Schritte. «Seht Ihr, das ist Wahrheit. Das ist Wahrhaftigkeit, wie ich sie mir vorstelle. Das ist Nafteta! Das bin ich, so wie mich Aton geschaffen hat, wie er mich wollte. Ja, wie er mich wollte», betonte er nochmals.
    «Hätte er gewollt, dass ich aussehe wie all diese heldenhaften Erscheinungen, wie Amenemhet und Sesostris oder wie meine unmittelbaren Vorfahren, dann müsstet Ihr heute nicht dies hier abliefern.» Und er zeigte mit freudestrahlendem Gesicht auf die Figur, die vor ihm stand.
    «Es gibt aber noch mehr als die Wahrheit», sagte er jetzt und sah mich mit ernstem Gesicht an. «Es gibt die Wahrheit des Aton, es gibt meine Wahrheit!»
    Ich muss ihn sehr verständnislos angesehen haben, denn er fuhr gleich eifrig fort, ohne eine Frage abzuwarten oder überhaupt zuzulassen. «Die Wahrheit dieser Figur fällt Euch nur heute auf, weil Ihr vorher noch nie Derartiges gesehen habt. Lasst Thutmosis noch zwanzig dieser Statuen anfertigen, undIhr bemerkt ihre Einzigartigkeit gar nicht mehr. Der Mut, den er in dieser Figur gezeigt

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