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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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was alle Männer von einem jungen Mädchen wollen. Das, was auch mein Liebhaber in Hamburg von mir wollte, und hinterher hat er mich mit dem Kind sitzen lassen und nicht anders wird es Ihnen ergehen. Nur dass Sie im Gegensatz zu mir nicht einmal eine Familie haben, die die Sache für Sie vertuscht.«
    »Ich dachte, Sie fanden es heuchlerisch und falsch, dass Ihre Eltern alles vertuscht haben?«
    »Das war es ja auch!«, rief Fräulein Hülshoff so laut, dass der Kettenhund anschlug. Erschrocken presste sie sich eine Hand vor den Mund. »Natürlich war es heuchlerisch und falsch«, flüsterte sie. »Aber die Welt will belogen sein. Wenn meine Eltern nicht vernünftig gewesen wären, wäre ich in der Gosse gelandet. Begreifen Sie doch, liebes Kind, wenn man als Frau seine Ehre verliert, dann fällt man ins Bodenlose. Dann ist man verloren.«
    »Ich liebe Petrus, dem Sie einiges verdanken, falls Sie das vergessen haben sollten«, sagte ich kühl. »Und ich wüsste nicht, warum das ein Grund sein sollte, meine Ehre zu verlieren.«
    Sie trat noch näher, so nahe, dass sich unsere Gesichter fast berührten. »Er ist doch ein Wilder«, wisperte sie. »Ein Wesen der Natur, das nur von seinen Instinkten getrieben wird. Hüten Sie sich vor ihm.« Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. Ein kalter Schauer rann von ihren Fingern meinen Rücken hinunter. Wütend machte ich mich los.
    »Lassen Sie mich!«, zischte ich. »Sie haben ja keine Ahnung. Gehen Sie zu Ihrem Welter. Sie sind vielleicht damit zufrieden, sein Weibchen zu sein, ich wäre es nicht. Ich will mehr!«
    Fräulein Hülshoff trat einen Schritt zurück und nickte. »Das wollte ich auch«, sagte sie leise. »Aber wenn man zu viel will, verliert man alles.«

 
17
     
    Noch vor dem Frühstück suchte ich Petrus im Gesindehaus auf, wo er sich eine schmale Pritsche mit einem anderen Schwarzen geteilt hatte. Er war nicht allein, drei andere Nama-Burschen machten sich gerade fertig für die Arbeit. Oder zumindest taten sie so. In Wirklichkeit starrten sie mich verstohlen an.
    »Ich muss wieder los«, erklärte ich Petrus. »Sie wollen mich hier nicht haben.«
    Er faltete ruhig seine Decke zusammen und legte sie auf die Kattel.
    »Ich werde ins Kapland gehen, nach Wupperthal, wo meine Freundin Eva und ihre Familie wohnen.«
    »Das ist ein weiter Weg«, sagte Petrus.
    »Deshalb breche ich ja auch heute schon auf. Und du?«
    »Ich breche auch auf.«
    »Gehst du zurück nach Bethanien?«
    Bei dem Wort Bethanien brach meine Stimme. Ich hatte solche Angst vor seiner Antwort. Dass er mir zustimmen könnte. Ja, ich gehe wieder zurück.
    Er lächelte und antwortete nicht.
    »Hast du mich nicht gehört?«, fragte ich unsicher.
    »Geh ins Haus und trink deinen Kaffee. Heute bleiben wir noch hier. Morgen gehen wir los.«
     
    Fräulein Hülshoff hatte bereits mit ihrem Mann gefrühstückt, jetzt saß sie mir gegenüber und plauderte, als wäre gestern Abend nichts zwischen uns vorgefallen. Sie sprach von der Rinderpest, die ihren Mann im letzten Jahr fast ruiniert hatte, von der Trockenheit, unter der die Farmer in diesem Jahr litten, und von den Plänen der Warmbader Gemeinde, ein öffentliches Schwimmbad über den heißen Quellen zu errichten. Öffentlich bedeutete vermutlich nur für Weiße . Die Schwarzen hatten die längste Zeit in den Quellen gebadet.
    »Wir werden morgen früh abreisen«, sagte ich, als sie eine kurze Pause machte.
    Fräulein Hülshoff stand auf und begann den Tisch abzuräumen. »Wohin gedenken Sie zu gehen?«
    »Ins Kapland.«
    Sie nickte. Ich merkte, dass sie nach Worten suchte, aber sie fand keine, genauso wenig wie ich selbst.
     
    Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns im Morgengrauen. Petrus hatte sein Reisebündel an einen Stock geknüpft, ich trug meinen Sack auf dem Rücken.
    »Auf Wiedersehen«, sagte ich, obwohl ich damals schon fühlte, dass es kein Wiedersehen mehr geben würde.
    »Alles Gute«, sagte Fräulein Hülshoff. »Hier, das ist für Sie.« Sie drückte mir einen schweren Beutel in die Arme. »Ein bisschen Proviant für die Reise.« Sie zögerte. »Ich würde Ihnen gerne so viel mehr …«
    »Ich weiß.« Meine Stimme klang scharf. Fräulein Hülshoffs Betrübnis darüber, dass sie mir nicht helfen konnte, hielt sich die Waage mit ihrer Erleichterung, dass sie mich nun doch so schnell wieder loswurde. Sie hatte nicht einmal versucht, mich dazu zu überreden, noch länger zu bleiben.
    »Ich wünsche Ihnen …«, begann Fräulein

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