Im Land des Roten Ahorns
hier mag zwar kein Freudenhaus sein, dachte sie, aber diese Mädchen bieten sich zweifelsohne feil.
Da bemerkte Jaqueline, dass sie die Blicke aller Männer auf sich zog.
Vermutlich halten die mich ebenfalls für käuflich, schoss ihr in den Sinn, worauf ihre Wangen zu kribbeln begannen. Aber sie riss sich zusammen, bemüht, die taktlose Musterung zu ignorieren und sich nichts anmerken zu lassen.
Warwick, der neben ihr Platz genommen hatte, war offensichtlich stolz, eine so junge und hübsche Frau an seiner Seite zu haben. Beinahe schon unverschämt grinste er in die Runde. Da hörte das Starren der Männer endlich auf.
»Verzeihen Sie, Mr Warwick, aber gibt es hier in der Gegend nicht viele Frauen?«, fragte Jaqueline schließlich, um sich von ihrer Verlegenheit zu befreien.
»Fragen Sie das, weil diese Männer Sie angestarrt haben?«, fragte er scherzhaft zurück.
Jaqueline nickte peinlich berührt.
»Nun, hier herrscht tatsächlich ein leichter Frauenmangel; aber der Grund, warum die Männer Sie anstarren, ist der, dass Sie eine schöne Frau sind. Davon gibt es zu wenige auf der Welt.«
Jaqueline errötete erneut. Glücklicherweise erschien im nächsten Augenblick eine Kellnerin.
Da Jaqueline die einheimische Küche nicht kannte, überließ sie Warwick die Auswahl. Er entschied sich für Elchsteaks mit Cranberries und gerösteten Kartoffeln.
»Elch?«, wunderte sich Jaqueline.
Warwick grinste breit. »Ja, das ist eine Spezialität hier. Und sehr köstlich! Ist dem europäischen Hirsch ein wenig ähnlich.«
»In Ordnung, dann nehme ich das auch.«
Die Kellnerin warf ihnen ein freundliches Lächeln zu, bevor sie zum Tresen zurückkehrte.
»Wollen Sie auch Karten zeichnen?«, fragte Warwick, während sie auf die Mahlzeit warteten.
»Ich fürchte, dazu fehlt mir das nötige Talent«, erklärte Jaqueline. »Aber vielleicht braucht hier jemand eine Erzieherin oder Hauslehrerin. Außerdem würde ich gern über dieses Land schreiben. Berichte über das, was hier geschieht.«
»Das sind sehr edle Vorhaben, und ich bin sogar so zuversichtlich zu behaupten, dass Sie Ihren Weg hier schon gehen werden. Aber eine Frau wie Sie sollte nicht außer Acht lassen, dass das Leben hier leichter wird mit einem Mann an ihrer Seite.«
Jaqueline zog verwundert die Augenbrauen hoch. Sicher, für eine verheiratete Frau war vieles leichter. Das war selbst in Deutschland so. Doch warum brachte er das zur Sprache?
»Nun, ich habe auch nicht vor, allein zu bleiben. Aber den passenden Ehemann werde ich wohl noch finden müssen.«
Wahrscheinlich hätte ich vor Wochen noch ganz anders geantwortet, gestand sie sich ein. Inzwischen schämte sie sich beinahe für die Schwärmerei, die sie Warwick entgegengebracht hatte, als sie noch mit ihm korrespondierte. Nun war ihr klar: Ihr Begleiter mochte bestenfalls ein Freund werden, aber nicht ihr Ehemann.
Bevor er das Thema weiterführen konnte, stellte die Kellnerin zwei Teller mit großen Fleischstücken auf den Tisch.
»Na, was sagen Sie dazu?«, fragte Warwick erwartungsvoll.
»Es riecht köstlich.« Jaqueline griff nach der Gabel. Der Duft regte ihren Appetit an.
Da Jaqueline von Kindesbeinen an eingebläut worden war, dass es sich für eine Dame nicht gehöre zu schlingen, bemühte sie sich, langsam zu essen.
Eine Weile verbrachten sie schweigend. Jaqueline vergaß über dem Genuss, den sie so lange entbehrt hatte, sogar die Umgebung.
»Entschuldigen Sie mich einen Moment?«, fragte Warwick schließlich.
Jaqueline gefiel gar nicht, dass er sie allein lassen wollte.
»Ich bin gleich zurück, muss nur mal kurz auf den Hinterhof.«
Was das bedeutete, konnte sie sich denken. »Gehen Sie ruhig, ich komme schon zurecht!«
Kaum war Warwick verschwunden, näherte sich ein Mann in einem Holzfällerhemd. Noch bevor Jaqueline ihn hörte, roch sie die Whiskeyfahne, die ihn umgab.
»He, Süße, hast du nicht Lust, den Sattel zu wechseln?«
Jaqueline wurde kreidebleich. Sie wusste nicht, was schlimmer war: diese unverschämte Aufforderung oder dass der Mann ihr eindeutig zu nahe kam.
Ihr Puls beschleunigte sich, während sie Hilfe suchend zur Hintertür blickte. Dann nahm sie allen Mut zusammen und antwortete: »Tut mir leid, Sir, ich bin bereits vergeben.«
»Was für ein Jammer!« Der Mann fuhr ihr mit der Hand über das Haar. »Ich wäre gern ein Stück mit dir geritten. Aber vielleicht hast du ja irgendwann von deinem Kerl genug. So eine kleine Hexe wie dich würde ich immer
Weitere Kostenlose Bücher