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Im Land des Roten Ahorns

Im Land des Roten Ahorns

Titel: Im Land des Roten Ahorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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wie die Pferde, die von Zeit zu Zeit unruhig schnaubten.
    Als das Geheul verebbte, entspannte Jaqueline sich allmählich. Ihr Herz schlug ruhiger, und das Zähneklappern hörte auf. Noch immer lauschend, schälte sie sich aus der Decke und starrte gegen die Zeltplane, bis die Morgensonne die nächtlichen Schatten vertrieb.

4

    In den folgenden zwei Tagen taute es, sodass die Räder des Planwagens wieder auf festem Boden fuhren. Hier und da lag noch Schnee auf Bäumen und Sträuchern, doch Jaqueline fühlte, dass sich die Luft erwärmte. Noch immer gab es Wind, aber der streichelte ihre Wangen nur angenehm.
    Nachdem sie noch eine Weile durch die Wildnis gefahren waren, erreichten sie Buffalo am Lake Erie.
    »Dies ist einer der großen Seen, durch die die Grenze zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten verläuft«, erklärte Warwick, als sie auf die Stadt zuhielten.
    Das Gewässer, das nur an den Rändern zugefroren war, glitzerte im Sonnenschein wie ein Spiegel, sodass Jaqueline die Augen beschirmen musste. Die Ufer waren mit Schilf und kleinen Büschen gesäumt. Jenseits des Sees erhoben sich mächtige Wälder, die weit ins Land hineinreichten.
    »Buffalo ist die letzte Stadt auf dem Gebiet der Staaten, dahinter beginnt Kanada. Wir sollten uns ein wenig ausruhen, bevor wir weiterfahren.«
    »Wie weit ist es denn noch bis Chatham?«, erkundigte sich Jaqueline, während sie Enten am Ufer beobachtete und dachte: Wie idyllisch! Wenn das Wetter etwas besser ist, sollte ich diesen Anblick malen.
    »Nicht mehr sehr weit. Höchstens noch eine Tagesreise.«
    Während die Kutsche die Straße hinaufrumpelte, betrachtete Jaqueline die Passanten. Die Männer in Hamburg trugen meist Zylinder zum Gehrock, hier dagegen dominierten ausgebeulte Hüte aus hellem oder dunklem Filz, die mit bunten Hutbändern geschmückt waren, und Lederjacken mit Fransen oder dicke Fellmäntel. Und nahezu jeder Mann führte demonstrativ eine Waffe mit sich.
    Bei den Frauen schien noch immer die Mode der weiten Röcke vorzuherrschen, kaum jemand trug schmal geschnittene Modelle wie in der Alsterstadt. Hier werde ich in meinen altmodischen Fetzen wenigstens nicht allzu sehr auffallen, dachte Jaqueline.
    Inzwischen hatten sie die Innenstadt erreicht. Sie bestand aus einer Town Hall, einer Kirche und einem Hotel, umgeben von kleineren Läden und einem großen Warehouse.
    »Da wären wir!«, verkündete Warwick, als er das Fuhrwerk vor dem Hoteleingang zum Stehen brachte.
    Das Hinweisschild könnte einen neuen Anstrich vertragen, dachte Jaqueline. Genauso wie Tür und Fensterrahmen. Besonders fein scheint diese Unterkunft nicht zu sein. Aber nach den Tagen im Freien, bedroht von Wölfen und anderen Gefahren, war sie froh, dass sie zur Abwechslung ein Dach über dem Kopf, einen warmen Ofen und ein Bett haben würde.
    »Dieses Haus ist das beste in der gesamten Region!«, schwärmte Warwick und half ihr vom Wagen. »Es mag nicht nobel aussehen, aber die Verpflegung ist hervorragend. Und ich habe in den Zimmern noch nie Ungeziefer gefunden.«
    Beruhigend!, dachte Jaqueline spöttisch, enthielt sich aber eines Kommentars.
    Der Mann hinter der Rezeption begrüßte Warwick mit einem breiten Lächeln. »Ah, Mr Warwick, schön, Sie auch mal wieder hier zu sehen! Sie waren schon lange nicht mehr bei uns.«
    »Sie wissen ja, Percy, die Geschäfte.«
    »Gehört die junge Dame zu Ihnen?« Der Rezeptionist reckte den Hals.
    »Sie ist die Tochter eines alten Freundes. Bis sie eine andere Bleibe gefunden hat, wird sie bei mir wohnen.«
    Der Mann in der roten Livree verzog vielsagend das Gesicht.
    Jaqueline errötete. Allerdings nicht vor Scham, sondern vor Ärger über seine Indiskretion. Muss er das jedem auf die Nase binden? Er tut ja fast so, als sei ich sein Eigentum.
    Warwick entging das nicht. »Ich nehme selbstverständlich zwei separate Zimmer, eins für die Lady und eins für mich«, versicherte er eilig.
    Jaqueline atmete erleichtert auf. Zwar hatte Warwick während ihrer Reise nichts Unangebrachtes versucht, dennoch fühlte sie sich in seiner Nähe noch immer unwohl. Sie wusste nicht einmal genau, was sie an Warwick störte. Er war freundlich und bemüht, ihr die Reise so bequem wie möglich zu machen. Aber etwas war an ihm, was nicht zu dem Eindruck passen wollte, den seine Briefe erweckt hatten.
    Wahrscheinlich bin ich furchtbar undankbar, sinnierte sie. Und misstrauisch wegen der Sache mit Fahrkrog.
    »Hier sind wir also«, erklärte Warwick, der auch

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