Im Land des Roten Ahorns
erste Zeit hier nicht sehr glücklich war, doch warum haben Sie überhaupt den Entschluss gefasst, nach Kanada zu reisen?«
Jaqueline zögerte, während sie ihr Glas in der Hand drehte.
Soll ich es ihm erzählen?, überlegte sie und entschied sich dafür. Was hatte sie schon zu verlieren?
»Mein Vater war Kartograf. Sein Leben lang hat er weite Reisen in ferne Länder unternommen. In Länder, von denen er mir so lebhaft erzählt hat, dass ich die Geschichten beinahe selbst zu erleben glaubte. Ich habe immer davon geträumt, all die Orte zu besuchen, aber dann ist erst meine Mutter, später mein Vater gestorben, und ich hatte von einem Tag auf den anderen keine Zukunft mehr.«
»Und deshalb haben Sie beschlossen, in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten.«
»Nicht ganz, denn sein Metier beherrsche ich nicht. Aber ich wollte zumindest das Land sehen, das er auf seiner ersten Karte festgehalten hat und das ihm Glück gebracht hat.«
Monahan sah sie schweigend an. Wie ist diese nette junge Frau nur an diesen Kerl geraten?, fragte er sich. Hat er sie entführt? Sie mit falschen Versprechen hergelockt? Aber er wollte nicht in sie dringen, auch wenn er es zu gern gewusst hätte.
»Ja, wenn man Risiken und Gefahren nicht scheut, kann man hier durchaus sein Glück machen«, sagte er schließlich. »Meine Vorfahren stammen aus Irland. Dort herrschte eine Hungersnot, als sie sich auf den Weg nach Kanada machten. Mein Urgroßvater Rowen hat als Fallensteller begonnen. Eine Zeitlang konnte er seine Familie davon ernähren, doch die Konkurrenz wurde immer größer und die Tiere, deren Felle viel einbrachten, immer seltener. Schon mein Großvater hat nicht mehr als Fallensteller gearbeitet. Da das Land reich an Wäldern ist und dieser Rohstoff ständig nachwächst, hat er sich dem Handel mit Holz zugewandt. Er war der Erste, der es gewagt hat, Stämme über den Saint Lawrence River zu flößen.«
»Klingt gefährlich.« Jaqueline erinnerte sich noch gut an die Flößer, die Holz über die Alster flößten.
»Ist es auch. Der Saint Lawrence ist wild und unberechenbar. Kaum vorstellbar, dass die Irokesen den Fluss mit Kanus aus Holz und gehärteten Häuten befahren haben. Aber die Indianer kennen jede Stromschnelle, jede Untiefe. Mein Großvater hat immer erzählt, dass er von den Indianern am meisten über die Flussfahrt gelernt hat.«
»Und warum sind Sie nicht mehr am Saint Lawrence? Wenn ich mich recht entsinne, verläuft der Strom ein ganzes Stück von hier entfernt.«
»Ja, das stimmt. Mein Vater hatte drei Söhne, und natürlich konnte nur einer sein Geschäft übernehmen. Als Erstgeborener hatte mein Bruder Barry dieses Glück. Dylan, der Jüngste, hat studiert und arbeitet als Anwalt in Ontario. Und ich wollte unbedingt im Holzhandel bleiben, also hab ich mich in einer anderen Gegend selbstständig gemacht. Ich wollte meinem Bruder ja nicht ins Gehege kommen. Ich übernehme es auch, Holz vom Lake Erie nach Montreal zu bringen. Das ist nicht ganz ungefährlich, denn wie Sie vielleicht wissen, liegen zwischen diesem See und dem Lake Ontario die Niagara Falls.«
Jaqueline nickte. »Mein Vater hat mir davon erzählt: der größte Wasserfall, den er je gesehen hat.«
»Tja, soweit ich weiß, gibt es kaum einen größeren und gefährlicheren. Jeder, der hinabstürzte, weil sein Boot mitgerissen wurde oder weil er sich einbildete, die Falls bezwingen zu können, wurde von den Wassermassen verschlungen und getötet.«
Ein Schauder überlief Jaqueline. »Und wie überwinden Sie dieses Hindernis?«
»Nun, kurz vor den Niagarafällen laden wir das Holz auf Pferdefuhrwerke um, transportieren die Stämme in die tiefer gelegene Region und lassen sie dort wieder zu Wasser.« Während er sprach, leuchteten seine blauen Augen wie die eines begeisterten Jungen.
»Das klingt umständlich. Warum nehmen Sie dann nicht gleich den Landweg?«
Monahan lächelte belustigt. »Weil der viel zu lange dauern würde und weil er viel aufwendiger ist. Bis auf das kleine Stück, auf dem die Stämme gezogen werden müssen, nimmt das Wasser sehr viel Arbeit ab. Und wir können die Stämme in einem Bruchteil der Zeit liefern, die der Landtransport benötigt. Das ist das Geheimnis meines Erfolgs.«
Damit schob sich Monahan einen Rebhuhnschenkel in den Mund.
Obwohl er ein Naturbursche ist, hat er sehr gepflegte Hände, dachte Jaqueline. Und ihr wurde bewusst, dass sie Monahans Gesellschaft genoss. Wenn er erzählte, konnte sie ihre schlimme
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