Im Land des Roten Ahorns
durch das Gehölz brach, löste Jaqueline sich aus ihrer Starre und rannte davon.
Nur gut, dass sie eine Hose trug! Dennoch: Sie war nicht schnell genug. Der Bär war ihr dicht auf den Fersen!
Vor Panik wimmernd, stürmte Jaqueline den Waldweg entlang, während sie sich immer wieder umsah.
Der Bär kam näher. Zwischendurch stieß er ein wütendes Schnauben aus, als wolle er seine Beute damit lähmen.
Was soll ich nur tun?, fragte Jaqueline sich. Ihr Puls raste, und ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. Soll ich auf einen Baum klettern? Nein, davon hatte Connor abgeraten. Kann ich das Tier mit einem Ast vertreiben? Oder mit Gebrüll verscheuchen?
Die Panik schnürte ihr die Brust zusammen und raubte ihr den Atem. Fast glaubte sie, den Atem des Bären im Nacken zu spüren. Jeden Moment würde eine Pranke nach ihr greifen und sie niederreißen ... Ich bin verloren!, dachte Jaqueline, und ein tiefes Schluchzen drang aus ihrer Kehle.
Ein plötzliches Krachen. Ein Aufschrei. Jaqueline rannte weiter, so schnell sie konnte, bis ein gequältes Brüllen hinter ihr ertönte.
Erst da begriff sie: Das war ein Schuss! Jaqueline erstarrte und warf einen Blick zurück: Der Bär taumelte.
Ich bin gerettet! Jemand hat auf ihn geschossen, durchzuckte es Jaqueline. Die Beine versagten ihr den Dienst. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie rang nach Luft und kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Der Bär schwankte, verschwamm vor ihren Augen - und machte kehrt.
Mit rasselndem Atem suchte Jaqueline Halt an einem Baum. Du lieber Gott, das war knapp! Ob das Tier jetzt endgültig in die Flucht geschlagen war? Noch so eine Begegnung würde sie nicht überstehen.
Aber was war das? Schon wieder ein Knacken! Jaqueline war wie gelähmt vor Angst.
»Alles in Ordnung mit Ihnen, Miss Jaqueline?«
Connor Monahan! Dem Himmel sei Dank! Er ritt mit gezogenem Revolver aus dem Gebüsch.
Keuchend stemmte Jaqueline die Hände in die Seiten. Antworten konnte sie nicht. Aber sie nickte und lächelte schwach.
Connor schaute sich sichernd nach allen Seiten um. Verwundete Bären waren unberechenbar. Doch das Tier war verschwunden. Dennoch behielt er die Waffe in der Hand.
»Das hätte böse enden können«, murmelte er. Die Erleichterung war ihm anzusehen. »Ich glaube, wir müssen uns beide von dem Schreck erholen. Kommen Sie, ich bring Sie zur Hütte zurück! Dort trinken wir erst mal einen Kaffee.«
Damit beugte er sich zu Jaqueline hinunter und streckte ihr eine Hand entgegen. Dankbar ließ sie sich hinter ihn aufs Pferd ziehen.
Wenig später brodelte es im Kaffeetopf auf dem Herd. Jaqueline war immer noch wie betäubt. Aber der würzige Duft, der die Hütte erfüllte, belebte sie allmählich.
»Habe ich Ihnen zu viel versprochen?«, fragte Connor, während er ihr einen Kaffee eingoss. »Ich wette, solche Riesen haben Sie in deutschen Wäldern nicht.«
»Nein, ganz gewiss nicht.« Jaqueline zitterte noch ein wenig. »Die größte Gefahr dort sind tollwütige Füchse.«
»Hier müssen Sie stets damit rechnen, dass Ihnen einer der Braunpelze begegnet. Sie hatten Glück, dass es ein Jungtier war. Ein ausgewachsener Bär hätte sich von einem Schuss nicht so leicht verjagen lassen. Ich hätte ihn schon töten müssen, um ihn von Ihnen abzubringen.«
»Was wird jetzt aus dem Tier?«
»Keine Sorge! Die Wunde verheilt. Er wird vielleicht ein wenig humpeln, aber das beeinträchtigt ihn sicher kaum.«
»Eigentlich ist es meine Schuld. Er hatte offenbar Hunger, und ich war unvorsichtig. Ob er hier noch mal auftaucht?«
»Schon möglich. Immerhin weiß er jetzt, dass es hier was zu fressen gibt. Vielleicht sollten Sie ein paar Streifen Fleisch auslegen.«
»Das werde ich ganz sicher nicht tun!«, gab Jaqueline erschrocken zurück. Sie merkte zu spät, dass der Vorschlag scherzhaft gemeint war, und lachte. »Weshalb waren Sie eigentlich so früh wieder auf dem Heimweg?«, fragte sie dann.
»Ich wollte Sie was fragen.«
Jaqueline zog die Augenbrauen hoch. »Mich was fragen?«
Monahan zögerte einen Moment, als müsse er allen Mut zusammennehmen. »Was würden Sie davon halten, mich zu einem Empfang zu begleiten?«
Diese Frage überraschte Jaqueline. »Wird Ihre Verlobte auch dort sein?«, erkundigte sie sich beklommen.
»Natürlich. Ich würde sie Ihnen zu gern vorstellen. Marion ist zwar nicht gerade erfreut darüber, dass ich mich um Sie kümmere. Aber ich glaube, Sie beide würden sich gut verstehen; vielleicht könnten Sie sich sogar
Weitere Kostenlose Bücher