Im Land des Roten Ahorns
wusste Marion, dass ich gestern bei dir war. Warwick muss uns beobachtet und es ihr erzählt haben.«
Bei dem Gedanken, wie nahe dieser Kerl ihnen offenbar war, erschauderte Jaqueline.
Connor nahm sanft ihre Hände und sah Jaqueline eindringlich an. »Auf jeden Fall musst du das Hotel verlassen, und zwar sofort!«
»Und wo soll ich hin?«
»Ich werde dich zwei Tage lang in der Sägemühle unterbringen«, antwortete er. »Dann beginnt ohnehin das Flößen. Hast du den Mut, mich auf dem Floß zu begleiten?«
Jaqueline konnte kaum glauben, dass er ihr dieses Angebot machte. »Ja, den habe ich!« Die Freude fegte die Angst vor Warwick fort. Jaqueline riss sich los und warf die Arme um ihren Liebsten. »Ach, Connor, wenn du wüsstest, wie sehr ich mir das gewünscht habe!«
Connor musste lachen über ihr Ungestüm. »Du weißt, dass das nicht ungefährlich ist«, setzte er hinzu.
Jaqueline ließ ihn los und nickte nur.
»Gut, dann pack deine Sachen zusammen und komm mit! In meinem Sägewerk wird dir niemand etwas zuleide tun.«
Als Connor das Zimmer bezahlt und dem Portier ein großzügiges Trinkgeld zugesteckt hatte, verließen sie das Hotel.
Jaqueline wurde mulmig zumute. Unter den Passanten konnte sie zwar niemanden entdecken, der Warwick auch nur im Entferntesten ähnelte, aber dennoch schnürte sich ihre Kehle zu.
Nachdem sie eine Weile der Hauptstraße gefolgt waren, zog Connor Jaqueline in eine Seitenstraße. Von dort aus gingen sie in Richtung Norden. Schließlich stieg Jaqueline der Geruch von frisch geschnittenem Holz in die Nase. Wasser plätscherte, begleitet von einem schrillen Sägegeräusch.
Als die Sägemühle vor ihr auftauchte, hielt sie vor Überraschung den Atem an. Auf einem weitläufigen Hof lagen mächtige Holzstämme, einige bereits von der Rinde befreit. Vor dem Sägewerk stapelten sich Bretter in unterschiedlichen Größen; manche waren so lang, um als Boots- oder Schiffsplanken zu taugen, andere eigneten sich eher für Möbel. Daneben stapelten sich Holzscheite, die auf den ersten Blick an Kaminholz erinnerten. Neben dem Gebäude befand sich eine Baumschule, in der neue Bäume herangezogen wurden.
Das Faszinierendste war für Jaqueline jedoch die große wasserbetriebene Säge, die gerade einen Stamm zerteilte. Das Sägeblatt war mächtig, seine Zähne wirkten bedrohlich. Wie durch Butter fraßen sie sich durch das Holz.
»Beeindruckend«, flüsterte sie. Sie konnte die Augen nicht abwenden, so fasziniert war sie von der Maschine.
»Ja, und gefährlich. Die könnte einen Mann problemlos zerteilen.«
Das wäre eine schöne Strafe für Warwick, dachte Jaqueline, schob den Gedanken aber, entsetzt über sich selbst, sofort wieder beiseite.
»Hier entlang!«, sagte Connor, während er auf das Kontor deutete. Er wollte Jaqueline so wenig wie möglich den Blicken anderer preisgeben, denn er fürchtete, dass Warwick in der Nähe sein könnte. »Im oberen Stockwerk des Kontors befinden sich meine Wohnräume und ein Gästezimmer. Es ist nicht so luxuriös wie das Hotel, aber meine Putzkraft, die zweimal die Woche vorbeikommt, hält alles sauber und ordentlich.«
Als sie das Kontor betraten, staunte Jaqueline über die kunstvollen Schnitzereien, mit denen die Deckenbalken und Treppengeländer verziert waren. Sie spürte durch und durch, dass Holz Connors große Leidenschaft war. Der Duft der Hölzer weckte Erinnerungen an die Hütte.
»Möchtest du mein Büro sehen?« Connor stellte Jaquelines Tasche auf die erste Stufe der Treppe, die neben dem Eingang nach oben führte.
Jaqueline war begeistert.
Ein wenig erinnerte Connors Büro sie an das Arbeitszimmer ihres Vaters, auch wenn es hier mehr Geschäftsbücher als Trophäen gab. Die Standuhr zwischen den beiden Fenstern tickte gemütlich vor sich hin. Die einzigen beiden tierischen Trophäen waren ein Hirschgeweih und eine Pelzkappe mit Zobelschwänzen. Beides hing neben einer alten Flinte und dem Gemälde eines Mannes, der Connor ein wenig ähnlich sah.
»Ist das ein Verwandter von dir?«, erkundigte sich Jaqueline.
»Mein Großvater. Die Mütze ist aus seinen ersten Pelzen gefertigt, die er hier abgezogen hat.«
»Und die Flinte war die, mit der er diese Pelze beschafft hat.«
»Nicht ganz, es war die letzte Flinte, die er besessen hat. Dieser Wapiti da drüben war übrigens der erste, den ich erlegt habe. Mit der Flinte meines Großvaters.«
»Du kannst mit diesem Monstrum von Gewehr umgehen?« Jaqueline betrachtete die Waffe
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