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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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hatte er durch einen Zufall diesen jungen Soldaten getroffen. Der hatte ihm von einer Rettungsaktion erzählt – es ging um eine junge Frau, die von den Maori als Geisel festgehalten worden war. Ein schneller Einsatz, die Maori waren von den englischen Soldaten niedergemetzelt worden, die Frau war wohlauf. »Hatte aber einen dicken Bauch. Ich bin mir sicher, von einem der Wilden, auch wenn sie das Gegenteil behauptet hat. Das Baby hatte schwarze Haare. Hat der Kapitän erzählt, habe ich selber gehört!«
    Offensichtlich hatte sonst kaum jemand in Kororareka etwas von dieser Rettungsaktion mitbekommen – der britische Regierungsvertreter Busby wollte das friedliche Miteinander mit den Maori in Kororareka nicht gefährden und hatte deswegen diesen Einsatz nicht an die große Glocke gehängt.
    Mit seinem wenigen Geld hatte Gregory seinen Begleiter als Führer in diese Bucht angeheuert – auch wenn er sich eigentlich nicht vorstellen konnte, dass seine Anne wochenlang an ein und demselben Fleck saß und auf bessere Zeiten wartete. Aber er wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass er hier einen Hinweis darauf finden würde, wohin sie weitergezogen war.
    Er hinkte mühsam den Weg entlang. Sein Begleiter wartete nicht auf ihn – warum auch. Dieser Mick hatte den Auftrag, ihm als Führer zu dienen, nur angenommen, um seine Schulden in Kororareka zu bezahlen – jetzt wollte er ihn nur schnell hinter sich bringen.
    Gregorys Blick fiel auf ein kleines Kreuz über einem frischen Grab am Wegesrand. Es lag unter einem mächtigen Pohutukawabaum. Eigentlich nicht ungewöhnlich nach einem Kampf – wenn es nicht mit einem schlichten Kreuz geschmückt wäre. Kein Zeichen eines Maorigrabes. Gregory ließ sich auf die Knie fallen, um die Zeichen in dem kleinen Kreuz entziffern zu können.
    Charlotte Beaver
    Die einzelnen Zeichen waren kunstvoll geschnitzt und mit den Spiralen und Linien verziert, die für die Schnitzkunst der Maori so typisch war.
    Er erhob sich wieder. Anne war hier wohl nicht die einzige Engländerin gewesen, die die Gastfreundschaft der Maori genießen durfte. Hoffentlich war ihr wenigstens nichts passiert – Charlotte Beaver hatte das Abenteuer offensichtlich mit ihrem Leben bezahlt. Oder hatte dieser Mick sich getäuscht – und es handelte sich bei der Engländerin nicht um Anne, sondern um diese Charlotte? Das konnte doch durchaus möglich sein.
    In diesem Augenblick kam Mick auch schon den Weg wieder herunter. Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Da hinten liegen die Überreste von einem Dorf, aber es sieht nicht sonderlich bewohnt aus. Vielleicht haben wir damals wirklich alle erwischt, wer weiß?«
    Gregory deutete auf das Grab. »Kann es sein, dass die Engländerin, die ihr befreit habt, gestorben ist? Und sie auch nicht Anne, sondern Charlotte hieß?«
    Ein lässiges Schulterzucken war die Antwort. »Den Namen kann ich schon verwechselt haben. Und im Kindbett verliert eine Frau schnell ihr Leben, das wissen wir alle … Ja, sicher, vielleicht stehen wir auf dem Boden, in dem Euer Mädchen seine letzte Ruhe gefunden hat. Möglich wär’s.« Er runzelte die Stirn. »Dabei meinte der Kapitän, dass es ein zähes Luder sei, wenn es so viele Wochen unter den Wilden gelebt hat.«
    Damit war für ihn die Sache erledigt. Er wandte sich mit einer bedauernden Handbewegung ab und ging den Weg zurück in Richtung Strand. Gregory brach eine der flammend roten Blüten des Baumes ab und legte sie sorgfältig auf das Grab. Wer immer diese Frau war – niemand hatte es verdient, so weit weg von seiner Heimat und ohne irgendeinen Trost durch einen anderen Menschen zu sterben. Er neigte sein Haupt, schloss die Augen und sprach ein Gebet, bevor er seinem Begleiter in gemächlichem Tempo hinterherhumpelte.
    In seinem Kopf kreisten die Gedanken. War diese Charlotte Beaver womöglich seine Anne? Lag sie hier im sandigen Boden begraben? Oder war sie längst weitergezogen von diesem Ort? Aber mit einem Kind in der Wildnis – das erschien ihm doch ein sehr großes Wagnis. Eines, das eine Frau kurz nach der Geburt sicher nicht eingehen würde. Er schüttelte unwirsch den Kopf. Sollte er diese Suche endlich beenden? Nach England zurückkehren, sich mit seinem Vater aussöhnen und das Gestüt übernehmen? Unter der Sonne Neuseelands war diese Zukunft so exotisch wie ein künftiges Leben hinter dem Mond. Und – nach allem, was er erlebt hatte: Konnte und wollte er wirklich seinem Vater verzeihen? Der Mann, der dafür

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