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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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der Alligator , ohne die ich nicht weiterziehen möchte. Und ich habe das Gefühl, dass ich hier überflüssig bin.«
    Er lächelte und strich Anne über den Scheitel, bevor er die beiden Frauen allein ließ.
    Sarah sah ihm mit zusammengezogenen Augenbrauen hinterher. »Bist du glücklich mit ihm?«, fragte sie ohne Umschweife.
    Mit einem Schulterzucken wandte Anne sich ihrer kleinen Tochter zu. »Er sorgt für mich und hat mich aus einer düsteren Zeit befreit. Dafür schulde ich ihm einiges.«
    »Das war nicht meine Frage.« Offensichtlich wollte Sarah nicht lockerlassen. »Ich habe mein ganzes Leben lang gesehen, wie Oaoiti sich um meine Mutter gekümmert hat. Ich glaube, sie haben sich wirklich und aufrichtig geliebt. Es ist gut, dass sie am selben Tag gestorben sind, so können sich ihre Seelen vereinigen. Bei dir und diesem Mann spüre ich nicht das Gleiche.«
    »Bist du dir sicher, dass er gestorben ist?« Anne konnte sich nur noch schemenhaft erinnern, Oaoiti reglos gesehen zu haben, aber sie war weggerannt, um den hingestreckten Leibern zu entfliehen.
    Sarah lächelte wehmütig. »Ich wünsche es ihm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in die Wälder geflüchtet ist oder von einem englischen Soldaten gefangen wurde. Aber das ist vielleicht nur ein Wunschtraum …« Sie sah in die Richtung, in der Lottys Körper immer noch unter dem Baum lag, unter dem sie gestorben war. Sie hatten am Vortag nur ein Tuch über ihren Oberkörper gebreitet. »Es wäre nett, wenn ihr mir helfen würdet, meine Mutter zu begraben …« Ihre Stimme versagte. Offensichtlich hatte sie den Tod ihrer Mutter noch nicht vollständig begriffen.
    Anne sah auf das kleine Bündel in ihrem Schoß. Der Tod war womöglich wirklich der einzige Weg, die enge Verbindung zwischen Mutter und Tochter zu kappen. Sie war sich jetzt schon sicher, dass sie die kleine Charlotte niemals alleinlassen wollte.
    Sarah wandte sich ihr noch einmal zu. »Du hast meine Frage nach der Liebe nicht beantwortet!«
    »Weil ich keine Antwort habe. Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeuten soll, und wenn ich die Antwort einst gewusst habe, dann bin ich mir heute nicht mehr sicher. Als ich ein Mädchen war, habe ich geliebt wie ein Mädchen. Heute bin ich eine Frau und glaube mehr an Achtung und Freundschaft als an Liebe. Und ich bin mir sicher, davon haben David Wilcox und ich mehr als genug.«
    Sarah nickte und schien dieses Thema damit abgehakt zu haben.
    Sehr viel später am Tag kehrte David Wilcox zurück, dieses Mal mit James Busby im Schlepptau, der sich wenigstens einmal von der Unversehrtheit der befreiten Frau überzeugen wollte. Der dickliche Mann reichte Anne die Hand, gratulierte förmlich zur Geburt einer gesunden Tochter und bedauerte im Namen des Königs, dass sie so viele Monate unter Wilden zubringen musste. Anne verkniff sich die Bemerkung, dass die Männer in Kororareka wohl eher den Begriff »Wilde« verdient hätten – das hätte Busby nun wirklich nicht verstanden.
    »Habt Ihr den Häuptling in Gewahrsam genommen?«, wollte sie nur wissen.
    Stolz nickte Busby. »Er ist verletzt, aber er sollte überleben. Ich werde ihn nach London bringen. Der König soll selber sehen, mit welcher Art Wilden wir es zu tun haben.«
    »Aber er wird ohne seinen Stamm keinen Sinn im Leben sehen! Es ist doch unmenschlich, einen Mann aus seinem Leben zu reißen!«, rief Anne aus. »Und was soll sein Stamm ohne einen Anführer nur tun?«
    Busby zuckte mit den Achseln. »Es ist nicht brutaler als das, was die Wilden Euch angetan haben, liebe Mistress Wilcox. Auch Ihr musstet ohne Eure Familie ausharren … Und seien wir ehrlich: Dieser Stamm wird ohne einen Häuptling niemanden mehr gefährden. Das ist doch ein Sieg für unser Land, meint Ihr nicht?«
    »Das mag sein, aber ich wusste immer, dass mein Mann mich eines Tages befreien würde. Eine Fahrt nach England, das ist eine lange Zeit ohne Hoffnung darauf, jemals den Busch wiederzusehen …« Sie brach mitten im Satz ab. Es hatte keinen Sinn, Busby von der Brutalität seiner Geiselnahme zu überzeugen. Sie konnte nur hoffen, dass Oaoiti möglichst bald die Flucht gelang. Oder er seinen Verletzungen erlag. So oder so – der Häuptling der Maori würde ohne seine Freiheit nicht leben können. Und so tauschte sie mit Busby nur noch einige Höflichkeiten aus und verabschiedete sich schließlich von ihm. Sogar ein paar Dankesworte über ihre Rettung kamen ihr über die Lippen – auch wenn sie nichts als leere

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