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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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gesorgt hatte, dass hier im Busch das Grab einer Frau lag, die viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde.
    Er ließ sich schwer in den Sand fallen und starrte ratlos auf das offene Meer hinaus.
    Aus den Augenwinkeln nahm er eine winzige Bewegung wahr, fast wie ein Vogel, der sich flatternd auf einem Ast niederließ. Gregory drehte den Kopf und versuchte im dichten Buschwerk zu erkennen, was seine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Kein Blatt rührte sich. Gregory wollte schon wieder seinen eigenen Gedanken nachhängen, als er plötzlich mitten im dunklen Grün zwei helle Augen sah, die ihn aus nur wenigen Metern Entfernung anstarrten. Erschrocken klatschte er in die Hände – und hörte im gleichen Moment, wie jemand hinter der dichten Reihe Büsche die Flucht ergriff. Ein Mensch. Oder ein großes Tier. Schnelle, gehetzte Schritte, die durch Blätter und Zweige brachen und nur Augenblicke später verebbten. Gregory sah mit einem Seufzer auf sein Bein. Früher wäre er hinter diesem Wesen hergerannt – und es war mehr als wahrscheinlich, dass er es erwischt hätte. Jetzt … mit seinem Bein konnte er sich nur noch im Schneckentempo fortbewegen. Er durfte froh sein, dass er problemlos umherhinken konnte und sein Bein nicht vollständig verloren hatte.
    In seine Überlegungen platzte Mick hinein. »Was war das?«, flüsterte er, als er wie ein Gespenst neben Gregory auftauchte.
    »Keine Ahnung«, bekannte er. »Ich hätte schwören können, dass mich ein paar Augen angestarrt haben. Aber bevor ich noch genauer nachsehen konnte, waren sie weg.«
    »Augen von den Wilden? Maoriaugen?«, fragte Mick verzagt.
    Innerlich zuckte Gregory zusammen. Seit die gütige Maoriheilerin sich um sein Bein gekümmert hatte, wollte er von dem Volk nicht mehr als »Wilde« reden oder denken. Aber er kannte die Soldaten aus Kororareka gut genug, um zu wissen, dass sie wenig Unterschiede zwischen den Einheimischen der verschiedensten Länder machten. Die Ureinwohner der Kolonien waren wenig mehr wert als die Tiere, die in dem jeweiligen Land lebten.
    »Nein. Blaue Augen. Meines Wissens eher selten unter den Maori«, sagte er also möglichst gleichgültig.
    Jetzt war Mick allerdings wie elektrisiert. »Blau? Ein Engländer?«
    »Ich weiß nicht mal, ob es ein Mensch war!«, erklärte Gregory.
    Noch bevor er weiterreden konnte, griff Mick nach einem scharfen Messer, hielt es griffbereit und verschwand im Unterholz. »Ich sehe mir das mal an!«, verkündete er noch, bevor die Äste hinter ihm zusammenschlugen.
    Gregory blieb mit seinen Gedanken und seinem lahmen Bein allein am Strand zurück. Wer auch immer es war, der ihn da beobachtet hatte – es war ganz sicher nicht seine Anne mit den grünen Augen. Er schloss die Lider und hörte dem leisen Auslaufen der Wellen am Strand zu, um sich ein wenig von seinen wirren Gedanken abzulenken. Die warme Sonne im Gesicht tat ein Übriges: Ganz allmählich machte sich ein warmes, schläfriges Gefühl in ihm breit.
    Nicht für lange. Aus dem Unterholz unweit des Strandes erklangen laute Flüche, die Mick in einem fort ausstieß. »Wirst du wohl stillhalten, du widerwärtiges Biest? Ich muss dir noch wehtun, wenn du … Hörst du auf, mich zu schlagen? Kannst du mich überhaupt verstehen, du Hexe?«
    Gregory erhob sich und ließ die letzten Erinnerungen an einen Traum fahren, den er gerade angefangen hatte. Neugierig humpelte er näher – aber was genau geschah, erkannte er erst, als er auf eine kleine Lichtung blickte: Mick hielt ein rothaariges Mädchen fest am Oberarm. Sie prügelte mit ihrer freien Faust unablässig auf sein Gesicht und seinen Nacken ein, dazu strampelte sie wie wild und versuchte immer wieder, ihn an den Schienbeinen und zwischen die Beine zu treffen. Das magere Mädchen trug die Tracht der Maori, viel zu knapp und unschicklich für ein weißes Mädchen. Da Mick ernsthaft in Bedrängnis war, trat Gregory von hinten an das kämpfende Kind heran und hielt ihm mit einem einzigen Griff beide Oberarme fest. Die Schwäche seines Beines hatte dafür gesorgt, dass seine Hände stärker als jemals zuvor waren. Das wilde Ding, das Mick gefunden hatte, konnte sich dagegen nicht wehren. Es strampelte zwar noch – aber Mick trat aus seiner Reichweite und nickte Gregory zu.
    »Danke. Die Kleine fing allmählich an, mich an empfindlichen Teilen zu treffen.«
    Zu ihrer Überraschung fauchte das Mädchen: »Ja – und ich hätte dafür gesorgt, dass du niemals einen Nachkommen gezeugt hättest. Wie

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