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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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genoss das Gefühl. Wenige Atemzüge lang waren der Angriff auf das Pa und der Tod so vieler Freunde aus dem Stamm eine Ewigkeit weit entfernt.
    Da unterbrach Sarah den Frieden. »Wie wirst du sie nennen?«
    Anne sah auf das friedlich nuckelnde Gesicht hinunter und dann zu Sarah. »Ich denke, sie sollte Charlotte heißen. Das wäre doch nur recht, nach all dem, was deine Mutter für mich getan hat. Oder?«
    Ein Lächeln ging über Sarahs Gesicht. »Ich bin mir sicher, meine Mutter wäre über diese Namenswahl sehr glücklich.« Sie erhob sich. »Ich hole den Vater, kommst du einen Augenblick alleine zurecht?«
    Anne nickte und genoss die ruhigen Augenblicke allein mit ihrer kleinen Tochter, bis Sarah mit dem Walfänger im Schlepptau auftauchte. Er sah sich das kleine Mädchen mit verzückter Miene an. Dann hörte Anne einen begeisterten Aufschrei. »Sie trägt den Wilcox-Leberfleck! Sieh nur! Es gibt keinen Zweifel, sie ist eine echte Wilcox!«
    Anne lächelte ihn an. »Ich werde sie Charlotte nennen!«
    Wilcox runzelte überrascht die Stirn. »Da ich der Vater bin, wäre ich glücklich, wenn ich auch gefragt werden würde. Aber es sieht so aus, als ob meine Stimme nicht zählt. Trotzdem wäre ich glücklich, wenn die kleine Charlotte als zweiten Vornamen den Namen meiner Mutter tragen würde: Victoria!«
    »Dann sei es so«, verkündete Anne. »Ihr Name ist Charlotte Victoria!«
    Sie blieben den Rest der Nacht nahe beieinander sitzen. Irgendwann besorgte David Brot aus dem Proviant der beiden Schiffe, damit sie ihren Hunger stillen konnten. Erst als allmählich die Dämmerung den Horizont erhellte, konnte Anne wieder an die Zukunft denken. Sie hörten die Rufe der Soldaten, die durch das schmale Tal bis zu ihnen drangen.
    »Nicht mehr lange, und sie legen wieder ab und kehren erst nach Kororareka und dann nach Australien zurück«, stellte Wilcox fest. Seiner Stimme war nicht anzumerken, was er davon hielt.
    »Möchtest du mit ihnen segeln?«, fragte Anne vorsichtig.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Was sollte ich da? In Kororareka etwa wieder an mein altes Leben anknüpfen? Ich möchte doch nicht, dass unsere Tochter in diesem schrecklichen Ort aufwächst. Nein, wir segeln mit der Isabella weiter nach Süden, so wie wir es schon so lange geplant haben.«
    Anne sah aus dem Augenwinkel, wie Sarah nachdenklich mit dem Finger Muster in den sandigen Boden malte. »Und was machst du, Sarah?«, fragte sie vorsichtig. »Möchtest du mit uns kommen? Oder mit den Soldaten nach Kororareka fahren?«
    Sie seufzte. »Nein. Ihr seid sehr gütig, dass ihr mich mitnehmen wollt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf Dauer irgendwo im Süden glücklich werde. Ebenso wenig wie in einer Stadt der Weißen. Nein, ich werde mich mit den Überlebenden meines Stammes wiedertreffen. Mein ganzes Leben habe ich unter Maori verbracht. Es war ein glückliches Leben – also warum sollte ich daran etwas ändern? Ich gehöre hier in den Busch, das ist meine Heimat.«
    »Dann bleib doch wenigstens die nächsten Tage bei uns«, bat Anne. »Wir werden sicher nicht sofort segeln. Ein paar Tage lang sollte ich wohl Kräfte sammeln, bevor ich ein neues Abenteuer in Angriff nehme. Es wäre schön, wenn wir so lange noch deine Freundlichkeit genießen könnten.«
    Sarah lachte. »So höflich hat mich noch nie jemand gebeten, doch noch ein bisschen zu bleiben … Tatsächlich ist es egal, ob ich jetzt oder erst in ein paar Wochen einen neuen Stamm suche. Oder bis sich mein alter Stamm wieder zu neuer Stärke zusammenfindet.«
    Anne deutete in Richtung des Pa. »Was wird denn aus den anderen Frauen? Den Alten – und den Männern, die überlebt haben?«
    »Wer weiß? Im Moment hat ja keiner eine Ahnung, wie viele es sind. Wenn das Kriegsschiff ablegt, dann werden sie wohl aus den Wäldern kommen. Erst dann hat es Sinn, zu entscheiden, ob wir wieder ein starker Stamm werden können – dann bleibe ich bei ihnen – oder ob wir uns besser einem unserer Nachbarn anschließen.« Sarah hob die Hände. »Unser Schicksal ist noch ungewiss.«
    Wilcox hatte dem Gespräch der beiden gelauscht, ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Sie redeten in Maori. Er sah seine Frau bewundernd an. »Ich habe geahnt, dass du aus dieser Zeit das Beste machst. Deine Fertigkeiten in dieser Sprache werden uns sicher nützlich sein!« Er sah von Sarah zu Anne. »Ich werde nach unten gehen und mich von Busby verabschieden. Außerdem habe ich noch einige Habseligkeiten auf

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