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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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kannst du es wagen, mich anzurühren!?«
    Sie sprach einen breiten Akzent, der direkt aus dem Hafenviertel Londons zu stammen schien. Verblüfft sah Gregory sie an. »Wer bist du? Was machst du hier in der Wildnis? Bist du allein?«
    »Mein Name geht dich überhaupt nichts an. Was soll ich hier schon tun – ich lebe hier! Und ob ich alleine bin oder nicht, geht dich überhaupt nichts an!« Ihr Gesichtsausdruck erinnerte bei den wenigen Sätzen an den einer Wildkatze, die von großen Angreifern in die Ecke getrieben wurde.
    Er lockerte seinen festen Griff. »Wir wollen dir doch nichts tun. Komm doch erst einmal mit uns an den Strand, vielleicht hast du ja Hunger …«
    »Ich kann mich hervorragend selbst ernähren«, unterbrach sie ihn. »Ich habe einen kompletten Wald und ein Meer zu meiner Verfügung. Wer bei so einem Angebot hungert, muss sehr dumm sein!«
    Bei sich dachte Gregory, dass er hier weit und breit nichts Essbares sehen konnte – aber er musste sich eingestehen, dass die Maori womöglich einen anderen Geschmack hatten als er. Er bemühte sich weiter um eine ruhige Stimme. »Komm jetzt doch erst einmal mit uns. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was dich hier in die Wildnis verschlagen hat – und warum niemand wusste, dass du hier lebst. Du bist doch Engländerin, oder etwa nicht?«
    »Ich stamme aus Neuseeland!«, erklärte sie mit einem unnachahmlichen Stolz in der Stimme.
    »Es gibt keine rothaarigen Maori!«, schaltete sich Mick ein. »Und auch keine mit blauen Augen. Du musst eine Engländerin sein, egal, was du versuchst uns zu erzählen.«
    Sie verdrehte die Augen. »Meine Mutter ist Engländerin, du stinkender Uniformträger. Ich glaube aber nicht, dass sie mit ihrem Land sehr glücklich war. Zumindest hat sie die letzten zwanzig Jahre nichts unternommen, um zurückzukehren!«
    »Wer war denn deine Mutter?«, fragte Gregory nach, der allmählich eine Idee hatte, wen er hier vor sich hatte. »Ist es womöglich die Frau in dem Grab am Weg? Charlotte Beaver?«
    Plötzlich wirkte das Mädchen betroffen, ihr Zorn verpuffte in einem einzigen Augenblick. Sie senkte den Kopf, biss sich auf die Unterlippe und musste sich räuspern, bevor sie antworten konnte. »Charlotte Beaver. Ja, das ist … war meine Mutter. Ich habe in meinem Leben keine mutigere und stärkere Frau kennengelernt!«
    »Woran ist sie denn gestorben?« In Gregorys Stimme lag ehrliches Mitgefühl. Außerdem wollte er wirklich gerne wissen, woher dieses Mädchen kam. Das, wenn er sie sich genauer ansah, eigentlich eher eine junge Frau war. Die Kleidung der Maori verdeckte ihre Brüste nur notdürftig.
    »An dem Überfall der Soldaten der Krone. Ihr ganzes Leben lang hatte sie Angst, dass die Engländer sie finden. Ihr draufkommen, wohin sie sich zurückgezogen hat. Und dann kommt eine ganze Horde auf einem Schiff, und einer von ihnen schießt meine Mutter in den Bauch. Einfach so. Der wusste nicht einmal, wer da vor ihm stand. War ihm egal, dem Schwein. Hat abgedrückt und ist weitergegangen …«
    Gregory hielt die Luft an. Wenn das hier die Tochter von Charlotte Beaver war, dann gab es keinen Zweifel daran, dass Anne nicht in diesem Grab am Wegesrand lag. Dieses Mädchen war vielleicht achtzehn Jahre alt, Anne mit ihren zwanzig Jahren war ganz bestimmt nicht ihre Mutter.
    »War da etwa noch eine Engländerin bei deinem Stamm?«, hakte er nach. Er musste sich sehr anstrengen, um nicht zu aufgeregt zu klingen.
    Sie musterte ihn. Dann legte sie den Kopf schief und entblößte ihre makellos weißen Zähne. »Ich denke, dafür, dass ich das erzähle, musst du mich loslassen. Ich verspreche auch, dass ich nicht weglaufe. So schrecklich seid ihr beide schließlich auch nicht.«
    Ohne zu zögern, ließ Gregory sie los. Das Mädchen fuhr sich mit beiden Händen über die Oberarme und rieb die Stellen, an denen Gregorys Finger ihre Spuren hinterlassen hatten. »Ja, die letzten Monate hatten wir eine weitere Engländerin bei uns. Anne. Wieso willst du das wissen?«
    »Ich bin auf der Suche nach ihr«, gab Gregory ohne Umschweife zu.
    »Sie ist nicht alleine«, erklärte das Mädchen. »Was willst du von ihr? Außerdem hat sie jetzt ein Baby!« Es wirkte fast so, als ob sie Anne verteidigen wollte.
    »Ich bin ein Freund aus Kinderzeiten«, erklärte Gregory und lächelte verlegen. »Ich möchte sie wiedersehen.«
    »Und dafür reist du um die halbe Welt? Es mag sein, dass ich im Busch lebe – aber so eine Geschichte glaube ich

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