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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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verbracht. Warum auch? Seine große Liebe war weit weg, er liebte das Leben und sah auch keine Sekunde ein, warum er sich für Anne aufheben sollte. Sicher, sie war seine große Liebe – aber die körperliche Liebe und die echte, tiefe Liebe, das waren schließlich zwei völlig verschiedene Gefühle.
    Jetzt, in dieser Sekunde, verführte ihn der Geschmack von wilden Kräutern und der Rauch des Feuers auf Sarahs Lippen, ihre kräftigen Hände und die muskulösen Arme, die ihn umschlangen. Bei ihr wirkte alles so natürlich, wie er es noch nie bei einer Frau erlebt hatte. Er wehrte sich nur noch einen kurzen Moment, dann gab er sich voll und ganz der Leidenschaft dieser jungen, wilden Frau hin.
    Sie fielen übereinander her mit dem Hunger derjenigen, die dem Tod viel zu tief ins Auge gesehen hatten. Die in diesem Augenblick das Leben und die Wiedergeburt einer Zukunft feiern wollten. Und als Gregory sich endlich mit ihr vereinigte, kam es ihm zum ersten Mal seit Monaten so vor, als ob er doch am richtigen Ort sein könnte.
    Sie liebten sich, bis es rings um sie dunkel wurde und die Sterne am Himmel blinkten. Gregory sah, wie es auch auf Sarahs Gesicht glitzerte – und er war sich nicht sicher, ob es getrocknete Tränen oder ein Rest von dem Schweiß war, den sie eben erst auf der Erde vergossen hatten. Vorsichtig strich er Sarah mit dem Zeigefinger über die Wange. »Immer noch traurig?«
    Sie nahm seinen Zeigefinger und küsste die Spitze. »Ja. Ich denke, das wird auch nicht mehr aufhören. Immer wenn ich an dieses Land denke, dann werde ich meine sterbende Mutter und meinen leidenden Stamm in meinem Geist vor mir sehen.« Sie küsste ihn noch einmal sanft auf die Hand. »Aber dank dir kann ich mir vorstellen, dass ich doch irgendwann wieder ein echtes Leben führe. Dass ich irgendwann auch wieder nach vorn blicke und mich die Trauer nicht mehr auffrisst … Bestimmt nicht hier, unter diesen Sternen – aber ich bin mir sicher, es wird sich der richtige Ort für mich finden. Du hast mir neue Zuversicht gegeben.«
    Gregory war überrascht. Diese Frau hatte ihn in den letzten Stunden so sehr benutzt, um ihre Traurigkeit zu vertreiben, wie er durch sie angefangen hatte, dieses Land doch zu mögen. So etwas hatte er bei den feinen Mädchen in England – oder den weniger feinen Mädchen in den Hafenstädten – noch nie erlebt. »So jemanden wie dich habe ich noch nie kennengelernt«, sagte er schließlich.
    Sie lachte leise. »Kein Wunder. Ich benehme mich mehr wie ein Maorimädchen und sicher nicht wie eine dieser englischen Frauen.«
    Sie beugte sich nach vorn und schob mit einem Stock die Kumara und Algenpakete aus der Glut. Nach den letzten Stunden mussten sie schon längst gar sein. »Ich nehme an, sie waren etwas zu lange im Feuer – aber ich habe trotzdem Hunger! Du auch?«
    Gregory musste zugeben, dass ihm noch nie in seinem Leben etwas so gut geschmeckt hatte wie dieses Essen aus der Wildnis Neuseelands. Vielleicht war das Land wirklich nicht so menschenfeindlich, wie er immer gedacht hatte.
    Die nächsten Tage redeten sie weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft. Sie zerrten Micks Leiche einfach nur ins Meer, als die einsetzende Ebbe alles mit aufs Meer zog, was nicht ordentlich festgeleint war. Sie warfen ihm keinen Blick hinterher – und Gregory verbot sich, daran zu denken, dass dieser Mann schon die zweite Leiche war, die er dem Pazifik überließ.
    Sarah drehte sich ohne einen weiteren Kommentar um und verschwand zwischen den Bäumen. Mit zorniger Miene sammelte sie Äste, Treibholz und trockene Gräser, um wieder ein Feuer vorzubereiten. Erst dann wühlte sie in der Glut des Vorabends nach ein wenig Hitze und ließ einen Span daran aufflammen. Gregory setzte sich auf einen alten Baumstamm und sah ihr einfach nur zu. Er versuchte sich vorzustellen, wie Sarah sich jemals in eine englische Gesellschaft einfügen sollte. Unmöglich. Sie gehörte in die Wildnis.
    Als das Feuer endlich brannte, drehte sie sich zu ihm um und musterte ihn. Dann lächelte sie. »Was denkst du – sollen wir ein wenig Schwimmen gehen und dann nach etwas Essbarem suchen? Ich hätte Lust auf Muscheln.«
    Damit waren seine Grübeleien beendet. Wenn Sarah sich schon keine weiteren Sorgen um ihre Zukunft machte – warum sollte er jetzt anfangen, sich Gedanken zu machen? Und damit begann eine Zeit, in der sie lebten wie einst Adam und Eva im Paradies.
    Schon nach zwei weiteren Tagen hörten sie auf, sich wieder in

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