Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
einfachen, sauberen Geruch der Seife, die sogar mit ein paar Tropfen Manukaöl parfümiert war. Sogar ihre Haare konnte sie waschen und flocht sie in einen Zopf, den sie ohne Probleme hochstecken konnte. Dann griff sie zu dem kleinen Beutel, in dem sie ihre Habseligkeiten für eine ganze Woche an Bord mitgebracht hatte. Darin hatte nicht viel Platz – nur eine Bürste, ein Band für die Haare, ein frisch gewaschenes Kleid aus ihrem Seekoffer, den sie aus Dorset mitgebracht hatte. Aber das Wichtigste konnte sie am Grund des Beutels ertasten: eine schmale Kette mit einem kleinen Hufeisen. Sie betrachtete den glitzernden Stein an dem Hufeisen. »Wird Zeit, dass du mir endlich mal Glück bringst«, murmelte sie und hängte sich die Kette entschlossen um den Hals. Zuletzt zog sie das Leinenkleid über und genoss es, die Knöpfe bis hoch zu dem kleinen Halsausschnitt zu schließen. Der weit schwingende Rock reichte ihr bis an die Knöchel. Anne fühlte sich wie neu geboren, als sie aus der Kabine trat.
Auf dem Deck fand sie David Wilcox bereits in ein Gespräch mit dem Missionar vertieft. Sie ging zu den beiden Männern, deutete vor dem Geistlichen einen kleinen Knicks an und lächelte über sein erstauntes Gesicht. »Ich bin es wirklich, Master Marsden, keine Sorge. Sie sehen nur den Beweis dafür, was ein Bad und ordentliche Kleidung aus einem Menschen machen können.«
Verlegen knetete der dickliche Schotte seine Finger. »Verzeiht, Mistress Anne. Für einen Moment habe ich Euch wirklich nicht erkannt. Aber jetzt muss ich sagen, dass ich dich mit diesem Auftreten doppelt gerne Master Wilcox zur Frau gebe …« Er sah das Paar fragend an. »Sollen wir sofort zur Tat schreiten?«
Anne nickte. Der Missionar hatte seine Hilfe bei ihrer Flucht unumstößlich an eine Bedingung geknüpft: Er konnte die kleinen Lügen, die er in den nächsten Tagen verkünden würde, nur dann mit seinem Gewissen vereinbaren, wenn er wusste, dass David Wilcox und Anne Courtenay ein ordentlich verheiratetes Paar waren. Nur so würde Annes Seele vor der ewigen Sünde bewahrt. Weder Wilcox noch Anne hatten gegen diese Bedingung etwas einzuwenden. Eher im Gegenteil: Später, wenn sie sich irgendwo in der Wildnis niederließen, würde es doppelt schwer sein, einen Geistlichen für eine Trauung zu finden.
Anne stellte sich neben ihrem künftigen Gatten auf, während einer der Matrosen mit seinem Akkordeon einen Kirchenchoral anstimmte. Die langsame Melodie und die zarte Dämmerung, die allmählich über der Bucht heraufzog, ließen eine fast feierliche Stimmung entstehen. Anne schloss für einen Augenblick die Augen. Jetzt nur nicht an Gregory denken, ermahnte sie sich selber. Er war eine halbe Welt entfernt, und eine Frau mit ihrer Geschichte würde er ganz sicher nicht heiraten. Nein. Neben ihr stand dieser aufrechte und gute Mann, der nur von einem gemeinsamen Leben träumte und der dafür bereit war, alles zu vergessen, was er von ihr bisher wusste. In ihrem Unglück hatte sie Glück gehabt. Und das wollte sie jetzt mit beiden Händen ergreifen und nicht mehr loslassen.
Sie öffnete die Augen, und Samuel Marsden begann mit seiner kurzen, schnörkellosen Ansprache. Es ging dabei viel um den rechten Pfad der Tugend und die gottesfürchtigen Kinder, die dieses wilde Land dereinst bevölkern würden. Aber dann kam er zum eigentlichen Kern.
»Willst du, David Wilcox, die hier anwesende Anne Courtenay zu deiner rechtmäßigen Frau nehmen, sie lieben und ehren, bis der Tod euch scheidet?«
Wilcox’ Stimme war laut und fest, als er antwortete: »Ja, mit Gottes Hilfe.«
Dann wandte sich der Geistliche Anne zu. »Und du, Anne Courtenay, willst du den hier anwesenden David Wilcox zu deinem rechtmäßigen Mann nehmen, ihn lieben und ehren, bis der Tod euch scheidet?«
»Ja.« Da Anne sich nicht allzu sicher war, welche Rolle Gott bei diesem Versprechen wirklich spielte, fügte sie dieser Aussage lieber nichts hinzu. Sie wollte ihr Leben mit diesem Mann teilen – schon einfach deswegen, weil sie auf nichts Besseres mehr hoffen konnte. Ganz bestimmt nicht auf einen Gregory Mallory, der inzwischen sicher längst eine der hässlichen Marcheston-Schwestern geheiratet und womöglich auch schon geschwängert hatte. Wahrscheinlich blieb das Baby mit seiner Nase bei der Geburt hängen. Geschah ihm recht. Gregory, nicht dem Baby.
Marsden strahlte sie mit einem fast kindlichen Lächeln an und riss sie aus ihren Gedanken. »Dann erkläre ich euch zu
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