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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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kleine Flotte noch ein Vermögen wert, noch kann man einige Jahrzehnte lang Wale jagen. Aber schon jetzt kann man erkennen, dass dieses Geschäft keine große Zukunft hat – es wäre dumm, sich ausschließlich darauf zu verlassen. Darüber haben wir uns ja schon oft unterhalten. Es wird Zeit, dass ich aus dieser Erkenntnis endlich Gewinn ziehe.« Er nickte noch einmal, als ob er sich selbst bestätigen müsste, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    In Anne blitzte plötzlich eine Idee auf. »Der Missionar hat in seinem Garten ein paar Reben, die mehr oder weniger gut gedeihen. Was, wenn wir eine Gegend finden, in der das besser gelingt? Wir haben uns schon einige Male darüber unterhalten, dass es an der Zeit ist, dass Neuseeland in Sachen Alkohol unabhängig wird. Der Import aus Europa ist zu teuer, und es gibt immer mehr Menschen hier, die auch bereit sind, für einen guten Tropfen etwas auszugeben.«
    »Wein?« Wilcox runzelte die Stirn. »Muss man dafür nicht auch einen Winzer um Rat fragen? – Das kann eigentlich nicht so schwer sein … und im Süden sollte der Anbau problemlos funktionieren. Da ist es nicht so unerträglich warm wie hier in den Sommern. Aber das sollte trotzdem nicht unser einziges Standbein sein. Ich bin mir sicher, uns fällt noch mehr ein. Immerhin könnte es auch richtig sein, auf der Südinsel in die Schafzucht einzusteigen – wir sollten uns alles genau überlegen.«
    Anne nickte. Er hatte »Wir« gesagt, und es hatte sich richtig angefühlt. Vielleicht war eine gemeinsame Zukunft doch eine gute Idee? Und der Gedanke, diesem gottverdammten Ort für immer den Rücken zu kehren, war mehr als nur verlockend – er schien ihr wie das Paradies.
    Wilcox unterbrach ihre Gedanken. »Es ist also abgemacht? Ich verkaufe meine Flotte zu einem möglichst guten Preis, und wir suchen nach einer Möglichkeit, diesen Jameson übers Ohr zu hauen? Hast du schon einen Einfall?« Er sah sie fragend an.
    Jetzt erschien es Anne mehr als weitblickend, dass sie den Missionar schon vor Monaten um Hilfe gebeten hatte. Sie nickte. »Wir können den Missionar für uns arbeiten lassen. Wenn er die Chance sieht, auch nur eine einzige verirrte Seele wieder auf den rechten Weg zu bringen, dann wird er helfen. Dass er uns in den heiligen Stand der Ehe versetzen kann, sollte ausreichen, um ihn auf unsere Seite zu ziehen. Wir sollten ihn um Rat fragen, wie wir aus Kororareka verschwinden können, ohne dass Jameson etwas merkt.«
    »Gut, wir ziehen ihn ins Vertrauen. Wenn du dir sicher bist, dass er uns nicht verrät, dann könnte er wirklich ein guter Verbündeter sein.« Wilcox dachte nach. »Ich bitte ihn um ein Abendessen, dann besprechen wir …«
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Es tut mir leid, dass ich dich daran erinnern muss, aber ich bin nicht die Herrin meiner Zeit. Wenn Jameson an diesem Abend Kundschaft für mich hat, werde ich wohl schwerlich zu einem Schwätzchen bei Marsden vorbeikommen können. Ich denke, du wirst dich alleine mit ihm unterhalten müssen. Ein Gespräch unter Gentlemen ist ja auch die bessere Wahl. Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, dann fühlt sich Marsden in meiner Gegenwart ohnehin nicht recht wohl.«
    »So sei es denn«, erklärte David Wilcox und erhob sich gähnend von seinem Stuhl. »Ich schlage vor, du kehrst jetzt zurück und lässt dir möglichst wenig anmerken. Ich sorge dafür, dass wir uns in den nächsten Tagen und Wochen regelmäßig sehen können, dann werde ich dir auch von dem Gespräch mit Marsden berichten.« Er schloss Anne noch einmal in die Arme. »Auf eine bessere Zukunft für uns beide«, murmelte er noch leise in ihr Haar, bevor er sie in die Dunkelheit vor seiner Haustür entließ. Er sah ihrer schmalen, großen Gestalt hinterher, die schnell mit den Schatten der Bäume verschmolz. Diese Frau mochte gebeutelt sein – aber sie war noch weit davon entfernt, gebrochen zu sein.

KORORAREKA, 1832

    13.
    »Dein Wilcox kann von dir einfach nicht genug bekommen, oder? Zum wievielten Mal rudere ich dich jetzt zu seinem Boot? In den letzten paar Monaten muss das mindestens sieben- oder achtmal gewesen sein … Und dann noch ein paar heimliche Treffen in seinem Haus. Bist zu ihm besonders nett, oder? Redest du sogar mit ihm?« Jameson legte sich in die Riemen. Er hatte es sich an diesem Tag nicht nehmen lassen, Anne selbst zu ihrer Stammkundschaft zu bringen. »Wenn er schon für eine ganze Woche zahlt, dann kann er auch erwarten, dass der Chef

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