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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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sich selber um die Lieferung der Ware kümmert, nicht wahr?«
    Anne nickte nur und sah geistesabwesend in Richtung der kleinen Ortschaft, die hinter ein paar Bäumen verschwand. Heute war also der große Tag. Seit Monaten planten sie ihre Flucht, heute war es so weit. Jameson brachte sie zu Wilcox an Bord, fest in der Meinung, dass der Schiffseigner eine gesamte Woche mit ihr in der Kabine verbringen wollte. Nur Anne, David Wilcox und natürlich der Missionar wussten, was in den nächsten Tagen wirklich passieren sollte.
    Verträumt ließ Anne eine Hand ins Wasser hängen, genoss die kühle Berührung. Heute würde sie heiraten. Wie weit entfernt war sie von ihren Träumen und Ideen als Mädchen in Dorset. Wie häufig hatte sie sich diesen Tag vorgestellt, davon geträumt, dass sie durch die Kirche auf ihren Gregory zugehen würde. Die Orgel sollte spielen, ihr Kleid hatte sie sich in manchen Nächten in jeder Einzelheit vorgestellt. Sogar ihren Brautstrauß hatte sie damals in ihrer Phantasie schon zusammengestellt. Heckenrosen, Efeu und kleine weiße Wiesenblumen, sie erinnerte sich genau. Ein verhaltenes, bitteres Lächeln spielte um ihre Lippen. Das Mädchen, das sie einst gewesen war, war schon lange gestorben. Jameson hatte dafür gesorgt, dass sie keine Träume mehr hatte und sich nur noch nach einer friedlichen Zukunft sehnte.
    Mit einem dumpfen Geräusch schlug das kleine Boot gegen die Bordwand der Cassandra , eines der Schiffe von Wilcox. Genauer gesagt, eines seiner ehemaligen Schiffe. Noch wusste es niemand in Kororareka, aber er hatte vor drei Wochen alle seine Schiffe an einen Mann verkauft, der in Australien bereits eine große Flotte für den Walfang besaß. Die Schiffe waren zum Teil schon bei ihrem neuen Besitzer, die Cassandra sollte erst in zehn Tagen ablegen und Kurs auf Australien nehmen. Aber die Neuigkeiten vom Verkauf der Wilcox-Schiffe waren noch nicht hier angekommen. Anne stieg langsam die schmale Strickleiter nach oben. Und wenn dieser Verkauf schließlich in den Klatsch des Ortes vordringen würde, dann war es nicht mehr das Wichtigste. Sie wusste schon jetzt, was die Menschen wirklich bewegen würde: die Flucht des großen Walfängers David Wilcox mit seiner Hure.
    Wilcox nahm sie an der Reling in Empfang, küsste ihr galant die Hand und winkte Jameson zu, der in seinem Ruderboot geblieben war. »In einer Woche könnt Ihr sie wieder abholen. Danke für die Lieferung!«
    »Viel Spaß!« Mit einem letzten anzüglichen Grinsen griff Jameson wieder zu den Rudern, wendete und machte sich auf den Rückweg ans Ufer. Anne sah ihm keine Sekunde hinterher. Wenn es nach ihr ging, dann wäre sie mehr als zufrieden, wenn sie diesen Mann nie mehr wiedersehen musste.
    Sie wandte sich um. David Wilcox griff mit beiden Händen nach ihren und strahlte sie an. »Komm, ich habe alles vorbereitet!« Er führte sie in die Kajüte des Kapitäns, die er an Bord seiner Schiffe für sich beanspruchte. Kein großartiger Raum, aber doch der größte an Bord. Zu ihrer Überraschung sah sie einen Zuber mit Wasser, und auf dem schmalen Bett lag ein ausgebreitetes Leinenkleid bereit. Sie drehte sich überrascht um. »Dafür haben wir genügend Zeit? Das ist wunderbar!«
    Er breitete die Hände aus. »Ich habe mir überlegt, dass heute unser Hochzeitstag ist, der Beginn eines neuen Lebens. Da ist es doch nur angemessen, wenn du frisch gebadet und in einem neuen Kleid erscheinst.« Er deutete mit einem leichten Schulterzucken auf ihren bunten Rock. »Und wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich auch keiner Frau das Jawort geben, die einen dieser Röcke trägt, die alle Frauen von Jameson tragen müssen. Und die Bluse finde ich auch etwas knapp für eine schickliche Gattin …« Mit einer leichten Verbeugung wandte er sich zum Gehen. »Ich lass dich für einen Augenblick alleine. Die Zeit sollten wir uns einfach nehmen – im Moment verfolgt uns ja noch niemand!«
    Damit schloss er die Tür hinter sich. Mit einem kleinen Freudenschrei schlüpfte Anne aus ihrer abgetragenen, verhassten Kleidung. Ohne lange nachzudenken, öffnete sie die Luke und warf die dreckigen, schmierigen Stofffetzen einfach ins Meer. Nie mehr wieder wollte sie diese Dinge tragen, die sie für jeden Menschen als ein käufliches Mädchen kennzeichneten.
    Dann stieg sie in den Zuber. Zu klein, um ein wirkliches Bad nehmen zu können – aber mit ein bisschen Mühe konnte sie sich hineinknien und sich von Kopf bis Fuß einseifen. Sie genoss den

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