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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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einmal deutlich zu machen, was für ein Mädchen diese Anne war.
    Gregory spürte, wie sich Kälte in ihm ausbreitete. Das konnte nicht wahr sein. Anne an diesem Ort – das war einfach unmöglich. Seine Verlobte mit den wilden Locken und dem unbeugsamen Willen würde doch nicht einfach hier in diesem Ort irgendwelche Männer gegen Geld an sich heranlassen. Er schluckte. »Was heißt denn war? Ist sie nicht mehr hier?«
    Der Grauhaarige nickte. »Vor ein paar Monaten ist sie durchgebrannt. Mit einem reichen Walfänger. Hat ihn angeblich sogar geheiratet – das hat zumindest einer der Missionare dann behauptet. Kann mir allerdings nicht vorstellen, dass so ein Mann ein leichtes Mädchen heiraten würde. Weiß man ja nicht, wer an der schon alles dran war, vielleicht ist so ein Mädchen auch nicht mehr ganz gesund. Von den Matrosen kann man viele Krankheiten bekommen … Egal: Jameson hat getobt. Belohnungen ausgesetzt, wenn ihm irgendjemand seine Anne wieder zurückbringt. Aber bis heute ist sie weg. Wie in Luft aufgelöst.«
    Das klang schon eher nach der Anne, die er kannte. Wenn sie es denn wirklich war. Das musste er herausfinden. »Woher kam diese Anne denn?«
    Einen Moment lang spielte der Mann nachdenklich an seinem Pferdeschwanz und sah ins Leere. Dann zuckte er mit den Schultern. »Das hat sie nie gesagt. Hat überhaupt nie viel geredet. Deswegen haben wir sie ja ›hochmütige Anne‹ genannt. Hat sich immer so aufgeführt, als ob sie aus einem ganz besonderen Stall ist. Wenn ich ihren Akzent allerdings richtig gedeutet habe, dann kam sie aus dem Süden Englands. Woher genau, kann ich allerdings nicht sagen, da kenne ich mich nicht so gut aus.«
    »Aber … wieso landet so ein Mädchen ausgerechnet an einem Ort wie diesem?« Gregory machte dazu eine Handbewegung, die alles einschloss. Den Ort Kororareka im Allgemeinen und diese Kneipe von Jameson im Besonderen.
    »Falsche Gesellschaft«, erklärte der Alte. »Sie ist auf einen Kapitän reingefallen, der ihr die wahre Liebe versprochen hat. Alles, was sie dann lernen musste, war die Einsicht, dass Liebe eine wahre Ware ist.«
    Ardroy. In Gregory stieg der blanke Zorn auf. Es war also tatsächlich dieser Windhund gewesen, der Anne in jene unmögliche Situation gebracht hatte. Er ballte seine Fäuste. Wenn er den Mann zwischen die Finger bekommen würde …
    »Ist dieser Kapitän im Moment in Kororareka?«, fragte er möglichst beiläufig nach.
    Mit einer Kopfbewegung deutete der Zopfträger in die Ecke. »Da sitzt er und plant mit Jameson seinen nächsten Coup. Hat erst vor ein paar Tagen Anker geworfen und Jameson wieder ein neues Mädchen gebracht.« Er sah suchend durch den Raum. »Ich kann die Kleine allerdings gerade nirgends sehen. Ist vielleicht in ihrem Zimmer, um ihre Wunden zu lecken. Oder nach der Auktion noch auf einem der Schiffe, kann auch sein.«
    »Auktion?« Gregory war sich nicht sicher, ob er die Antwort auf diese Frage überhaupt kennen wollte. Mit jeder Sekunde, die er hier saß, verwandelte sich der freundliche Gastraum mit dem Duft nach Pasteten in eine wahre Hölle.
    »Sicher! Es geht schließlich um die erste Nacht mit einem neuen Mädchen! Das lässt sich Jameson gut bezahlen. Ist ja auch eine einmalige Sache. Obwohl ich es nicht einmal haben wollte, wenn ich es mir leisten könnte – wer hat schon Spaß mit einem Mädchen, das in einem fort heult oder sich wehrt? Das machen doch nur Männer, die auch Spaß daran haben, einen Matrosen auszupeitschen, oder?«
    Gregory hörte ihm kaum noch zu. Er sah möglichst unauffällig in die Ecke, die ihm der Mann gezeigt hatte. Da saß ein sehr fetter Mann mit selbstgefälliger Miene und an fast jedem Finger einen Goldring. Offensichtlich der Besitzer dieses Ladens. Neben ihm ein dünner Mann mit rötlichem Haar, der viel von einem gehetzten Fuchs hatte. Jameson schenkte dem Rothaarigen immer wieder aus einer Flasche nach, die sicher etwas Hochprozentigeres enthielt als das dünne Bier, das zu den Pasteten serviert wurde. Langsam stand Gregory auf. Er wusste noch nicht, was er zu diesen beiden Männern sagen wollte, die hier so offensichtlich ihre Freundschaft pflegten. Aber er wollte sie nicht sitzen lassen, ohne ihnen wenigstens einmal gründlich die Meinung gesagt zu haben.
    Der Zopfträger hielt ihn am Ärmel fest. »Was wollt Ihr denn mit den beiden? Das bedeutet immer nur Ärger, wenn man sich mit einem von denen anlegt. Könnt Ihr mir glauben, lohnt einfach nicht! Auch nicht dann,

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