Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
auf den Eingang zum Schankraum und widmete sich dann wieder seinem glühenden Blatt. Es war deutlich, dass er keinerlei Verlangen danach hatte, diese Unterhaltung fortzusetzen.
Neugierig betrat Gregory den halbdunklen Raum. An fast jedem Tisch saßen zwei oder drei Männer vor ihrem Becher. Manche Gruppen schwiegen sich an, andere redeten laut und lebhaft mit fuchtelnden Händen. Irgendwo in der Nähe der Bar sah Gregory auf einem Tisch einen Würfel und ein paar Karten. Eine Kneipe wie in jeder anderen Hafenstadt der Welt auch. Erleichtert ließ er sich auf einen Stuhl fallen. An dem Tisch saß nur ein einzelner Mann, der schweigend in sein Bier starrte.
Augenblicke später trank auch Gregory einen Schluck von dem bitter schmeckenden Gebräu, das ziemlich sicher auch in Neuseeland produziert worden war. Zumindest schmeckte es weniger kultiviert als ein Bier in England. Er nahm einen langen Schluck und sah dann den einsamen Trinker fragend an. »Seid Ihr schon länger hier in Kororareka?«
»Länger, als mir lieb ist«, brummte der Mann.
»Dann könnt Ihr mir sicher behilflich sein. Ich suche einen Mann. Nathan Ardroy und seine Frau.« Der Mann sah ihn an, ohne auch nur erkennen zu lassen, dass er die Frage verstanden oder begriffen hatte. »Anne heißt sie«, erklärte Gregory in der Hoffnung, die Erinnerung dieses Mannes etwas aufzufrischen. »Groß, schwarze Locken, grüne Augen, Sommersprossen.«
»Der kann sich keine Frau leisten. Höchstens für eine Nacht, nicht für länger.« Der Mann schien sich seiner Sache sicher zu sein.
Gregory runzelte die Stirn. Das klang nicht nach dem erfolgreichen Kapitän, der Ardroy doch eigentlich war. Dieser Mann musste einen anderen Ardroy meinen. »Der Kapitän«, versuchte er dessen Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
»Kapitän, ja, das ist er wohl«, erklärte der einsame Trinker. »Aber keiner, der es jemals geschafft hätte, ein eigenes Schiff zu steuern. Der fährt immer nur für den, der ihn gerade zahlt. Meistens mit einer wild gemischten Mannschaft, die ständig wechselt. Keine guten Leute.«
»Er soll aber hier in Kororareka wohnen«, beharrte Gregory. »Mit Anne!«
»Tut er aber nicht, habe ich doch gesagt. Was wollt Ihr überhaupt von dem? Kein guter Umgang.« Der Trinker leerte mit einem langen Zug seinen Becher und sah Gregory auffordernd an.
Der seufzte. Es war klar, was dieser Mann wollte, damit er mehr von seiner Erinnerung preisgab. Ungeduldig winkte Gregory nach dem jungen, kräftigen Mädchen, das hier bediente. »Noch ein Becher von dem Bier, bitte.«
Erst als sie es auf den Tisch gestellt hatte, redete der Mann weiter. »Ardroy kommt nur alle paar Monate hierher. Hin und wieder auch mal ein Jahr lang nicht, kommt darauf an, wohin er unterwegs war.« Er sah ihn genauer an und beugte sich etwas vor, so als würde er jetzt ein großes Geheimnis enthüllen. Gregory roch den sauren Atem, der verriet, dass dieser Mann heute schon mehr als genug Bier getrunken hatte. »Wenn er ein Mädchen dabei hatte, dann hat er es ganz bestimmt nicht geheiratet. Was soll Ardroy auch mit einer Frau? Kostet nur Geld, wenn sie halbwegs ordentlich leben will. Und Ardroy ist ja nie zu Hause, dass er es genießen könnte, wenn jemand auf ihn wartet.«
Er zögerte, bevor er weiterredete. Dabei beugte er sich noch mehr nach vorne. Als er die nächsten Worte flüsterte, spürte Gregory seine feuchte Aussprache.
»Ardroy bringt die Mädchen zu Jameson. Zu dem müsst Ihr gehen, wenn Ihr wissen wollt, was aus ihr geworden ist. Der lässt sich seine Mädchen von Ardroy herbeischaffen – deswegen hat er auch immer wieder frische Ware. Ich bin mir sicher, dass es so läuft.« Er nickte noch einmal, so als müsste er seine eigenen Worte bekräftigen.
Angeekelt lehnte sich Gregory nach hinten und wischte sich die Spucke ab. »Das habt Ihr falsch verstanden. Ich habe nach einer anständigen Frau gefragt, nicht nach einem dieser Flittchen, für die dieser Ort wohl berühmt ist.«
Der Trinker griff nach seinem Bier und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht habe ich unrecht. Aber ich denke, dass schon eine Menge Mädchen anständig angefangen haben und heute nur noch mit bunten Röcken herumlaufen und die Männer an der Nase herumführen. Das kann schnell gehen. Vor allem hier.«
»Nicht meine Anne!« Empört stand Gregory auf. Diese Informationsquelle gab nichts her. Er ärgerte sich, dass er ein Bier bezahlt hatte, das er besser selbst getrunken hätte. Mit wenigen
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