Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
noch – und dann gnade ihnen Gott! Denn ich werde es nicht tun.«
Wieder Gelächter. Ardroy nahm einen tiefen Schluck von dem Schnaps, den Jameson ihm eingeschenkt hatte. Dann mischte er sich mit etwas schwerer Zunge in das Gespräch ein. »Ich besorg dir wieder so eine. Verarmter Landadel, den gibt es in England wie Sand am Meer. Da wird sich immer ein dämlicher Vater finden, der froh ist, wenn er seine Tochter an einen echten Kapitän loskriegt, der nicht allzu lange nach einer Mitgift fragt.«
Gregory spürte den bitteren Geschmack von Galle im Mund. »Master Courtenay mag verzweifelt gewesen sein, dämlich ist er deswegen noch lange nicht!«, versuchte er eine Verteidigung von Annes Vater.
Ardroy stutzte kurz, dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. »Courtenay oder sonst wer, die sind doch alle gleich. Tatsache ist, dass ich es immer wieder schaffe, diesen Männern ihre Töchter wegzunehmen, ohne vor den Traualtar zu treten. Sie glauben immer meiner Erzählung von der Eile und den unwägbaren Winden, wenn wir nicht bald Segel setzen. Bisher hat sich nicht einer die Mühe gemacht, herauszufinden, wie das Wetter auf dem Weg nach Neuseeland wirklich ist. Stattdessen nicken sie verständnisvoll, und ich darf die kleinen Jungfern mit auf mein Schiff nehmen – bei dem, mit Verlaub, sich auch niemand die Mühe macht, den wahren Besitzer herauszufinden. Nein, diese Männer sind Jammergestalten, sonst nichts.« Ardroy grinste überlegen, während er das erklärte.
Gregory ballte die Faust in der Tasche, während er an das gutmütige Gesicht von William Courtenay dachte, der innerhalb so kurzer Zeit gleich auf zwei Männer hereingefallen war. Er hatte ganz offenbar zu sehr darauf vertraut, dass man ihn ehrenhaft behandeln würde. Eine Hoffnung, die sich in keinem Fall erfüllt hatte.
»Die wahren Jammergestalten sind doch Menschen wie Ihr«, erklärte er schließlich. »Euer magerer Reichtum ist mit dem Unglück von Mädchen erkauft, die nie wieder in ihr altes Leben zurückfinden werden. Ihr seid der Abschaum, der in der Gosse das aufleckt, was kein anderer Mensch auch nur ansehen würde.«
Ardroy sah ihn einen Moment lang aus seinen merkwürdig hellen Augen an. Er schien zu überlegen, ob er jetzt ernsthaft Streit anfangen wollte – oder ob dieser junge Offizier keiner wahren Antwort würdig war. Dann schien er eine Entscheidung gefällt zu haben, trank noch einen Schluck und wandte sich Jameson zu. Es war klar, dass er mit Gregory kein weiteres Wort wechseln wollte. Und auch Jameson wandte sich ab.
Einen Augenblick lang sah Gregory nur noch zwei Rücken. Das Gespräch war beendet – aber seine Wut und seine Ohnmacht wuchsen ins Unermessliche. Langsam drehte er sich um und machte sich auf den Weg in Richtung Tür.
KORORAREKA, 1832
18.
Auf der staubigen Straße senkte sich die Dämmerung über Kororareka. Es wurde allmählich Zeit, zur Mercury zurückzukehren. In Gedanken versunken machte Gregory sich auf den Weg in Richtung Meer. Der Strand sah unverändert paradiesisch aus, verriet nichts von den Abgründen, die sich in der Stadt auftaten. Das passierte also, wenn es keine Gesetze gab, die die Menschen in ihre Schranken wiesen. Langsam setzte Gregory sich unter einen Baum und schloss die Augen. Und jetzt? Wo sollte er seine Anne finden? Wenn nicht einmal dieser Verbrecher Jameson eine Idee hatte, wo er sie suchen sollte.
Er hörte, wie sich jemand dem Strandstück näherte, an dem er saß. Eine schmale Silhouette, die leicht schwankte. Erst als der Mann nur wenige Meter vor Gregory an seiner Hose nestelte und gegen einen alten Baum pinkelte, wurde ihm klar, wen er da gerade wiedersah: Nathan Ardroy auf dem Weg zurück zu seinem Schiff.
Der magere Mann stützte sich stöhnend mit einer Hand an dem Baum ab – offensichtlich hatte ihm Jameson kräftig von dem hochprozentigen Zeug eingeschenkt. Angeekelt wollte Gregory sich schon abwenden. Aber dann konnte er sich nicht beherrschen – eine Frage hatte er noch.
»Hast du sie wenigstens gut behandelt?«
Ardroy zuckte zusammen, als er die Stimme aus dem Dunklen hörte. Er schloss rasch seine Hose und richtete sich mühsam wieder auf. Angestrengt starrte er in den Schatten, aus dem die Stimme gekommen war. »Ich habe jedes Mädchen gut behandelt, das kannst du mir glauben«, sagte er schließlich. »Jameson hätte mir weniger Geld bezahlt, wenn er auch nur ein einziges blaues Fleckchen entdeckt hätte.« Offensichtlich dämmerte ihm allmählich,
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