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Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
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krossen Schweinebraten. Wir kratzten unser Geld zusammen, um Kaffee oder Tee oder Rotwein zu kaufen für einen Abend. Trotz ihres vielseitigen Könnens lebte sie in ähnlich bescheidenen Umständen wie ich. Dass sie, die ich bewunderte, mich ernst nahm, tat mir gut.
    Charlotte malte auch naive Bilder. Das ist doch einfach, dachte ich und wollte ebenso malen. Ist aber gar nicht so einfach, und mir wurde klar, wie wenig ich von Malerei wusste. Um zu lernen und mitreden zu können, begann ich, Ausstellungen zu besuchen, kaufte stapelweise Kunstpostkarten. All die Bilder auf den Postkarten sah ich später als Originale in den Uffizien und anderen Galerien.
    In Friedrichshagen sind nach dem Tod von Charlotte E. Pauly und Ingrid Goltzsche-Schwarz Straßen nach ihnen benannt worden, und das ist gut so. Ich besitze ein kleines Porträt von Charlotte, das Volker Pfüller gemalt hat und das ich sehr liebe.

Mein erstes Berliner Theater
    Die Ostberliner Volksbühne ist ein Riesenbau mit drei Stockwerken, einer großen Bühne, geräumigen Garderoben. Das im Krieg völlig zerstörte Haus stand schon 1953 wieder, aber zwanzig Jahre später wurde der große Zuschauerraum umgebaut, man spielte an anderen Stätten, und im Juni 1972 gab es eine neuerliche Eröffnung.
    Ich war Benno Besson gefolgt, der mir konkrete Angebote mit Namen und Rollen gemacht hatte. Auch Helene Weigel hatte mich wissen lassen, dass sie mich am BE brauche, aber da sie meine Frage nach Rollen nicht beantwortete, ging ich an die Volksbühne. Allerdings hatte mir die Weigel prophezeit: »Du kommst schon noch, Pupperl!«
    Die Theaterkantine liegt im Keller, und da saßen sie dann alle, die Durst hatten, die was vom Theater verstanden oder zu verstehen vorgaben, Schauspieler, die eben noch auf der Bühne gestanden hatten, Kollegen von anderen Bühnen, Zuschauer, Dichter, Techniker, Assistenten. Es war immer herrlich laut, das Bier preiswert und kühl, und die nie ausgehenden Buletten waren heiß und einmalig triefend vor Fett. Heiner Müller trank mit uns Whisky und las aus seinen Texten, Christoph Hein gab uns Entwürfe zu seinen Stücken zum Lesen und Diskutieren. Mit ihm verbindet mich bis heute die wunderbarste Freundschaft meines Lebens.
    Besson hatte Wort gehalten und ein großartiges Ensemble um sich geschart: Die Regisseure Fritz Marquardt, Manfred Karge, Matthias Langhoff, Brigitte Soubeyran, den Allround-Künstler Einar Schleef, die Maler Harald Metzkes und Ronald Paris, die Bühnenbilder und Kostüme schufen, dazu Angelica Domröse, Winfried Glatzeder, Gabriele Gysi, Hilmar Thate, Bessons blutjunge Tochter Katharina Thalbach, Steffie Spira, Marianne Wünscher ... Und alle – wir Schauspieler, die Dramaturgen, Bühnenbildner, Requisiteure – immer um Besson herum.
    Ich erinnere mich an mein Vorstellungsgespräch: Besson kam mir sehr streng vor, doch unter seinen buschigen Augenbrauen blitzte ein kleines, freches Lachen auf, das mich beruhigte. Eine ganze Stunde lang erzählte er mir vom neuen Profil der Volksbühne, sprach über seine Erwartungen an das Ensemble. Dann ein typischer Besson-Satz: »Morgen beginnen wir mit Proben zu Arzt wider Willen . Du spielst die Martine. Da kannst du dein Temperament und dein Können zeigen.«
    Und dann mein erster Tag an einer Berliner Bühne. Auf der Probe großartige Schauspieler: Ursula Karusseit, Armin Mueller-Stahl, Rolf Ludwig, Harry Hindemith. Unvorstellbar meine Aufregung und die Lust auf diesen Aufbruch zu Besson.
    Die Proben waren verrückt. Metzkes turnte mit Farbe und Pinsel um uns herum, ließ farbenprächtige Kostüme an unseren Körpern entstehen. Auf mein weißes Kleid malte er Streifen, Muster, Manschetten, Kragen, ein Schürzchen. Besson raste durch die Reihen, er lief und redete, provozierte uns, indem er uns imitierte, das war seine Art der Kritik. Er lamentierte, schnurrte, arbeitete mit Tönen und mit allen Sinnen. Gefiel ihm etwas, hakte er sofort nach: »Was hast du jetzt gemacht?« Damit wollte er rauskriegen, ob wir etwas bewusst eingesetzt hatten und wiederholen konnten, oder ob wir spontan und unbeabsichtigt agierten. Erfüllten wir seine Erwartungen nicht, zeigte er seine Enttäuschung, war eingeschnappt wie ein kleiner Junge. In solchen Momenten sagte er: »Ich wusste gar nicht, dass man das nicht darstellen kann!« Um am nächsten Morgen um Änderungsvorschläge zu bitten, da man die Dinge ja nicht darstellen könne. Wir machten Angebote, er korrigierte, und er hörte auf seine

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