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Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
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seinen Ideen und mit unserer Zeit. Das ist wohl das größte Geschenk für einen Schauspieler.
    König Hirsch stand lange auf dem Spielplan, und mit jeder Vorstellung wuchs mein Mut zur Improvisation. Ich steigerte mich, das war die beste Konzentrationsübung für Gedankenblitze und Schlagfertigkeit.
    Walfriede Schmitt spielte die Rolle weiter, als ich sichtbar mit meinem Sohn schwanger war.
    Diese Inszenierungen schützten Besson nicht vor Angriffen. Die Kritiker warfen ihm unangemessene Lustigkeit vor angesichts des hehren Ziels, den Sozialismus aufzubauen. Man nahm also übel. Im Osten hieß das: Bitte nicht zu lustig, wir haben auch Probleme! Und im Westen: Warum so lustig, haben die keine Probleme?
    In der Spielzeit 1973/74 erfand Benno Besson das Spektakel 1, dem im Jahr darauf Spektakel 2 folgte. Auf Haupt- und Vorderbühne, im Sternfoyer und den beiden Seitenfoyers wurde zehn Tage lang en suite gespielt. Alle Schauspieler waren beschäftigt, junge Autoren und Regisseure bekamen eine Chance. Heiner Müllers Herakles 5 , Christoph Heins Stück über Adolf Hennecke und sein Britannicus , Alexander Langs Stühle , das Katzenspiel von István Örkény, Margarete in Aix von Peter Hacks – die Theaterkritiker mussten sehr oft ins Theater, um alles zu erfassen. Heute mag das alltäglich klingen, damals war es eine Sensation. Und es ermöglichte eine neue Freiheit in der Auswahl der Stücke, denn Besson unterwanderte damit die Kontrolle des Kulturministeriums. Gegenwartsdramatik oder Tradition lautete die politische Forderung. Wir spielten die Gegenwart, allerdings in nicht so ganz erwünschten Stücken. Ich sehe Benno noch vor mir, die buschigen Augenbrauen zusammengekniffen, wie er sagte: »Sollen sie nur herkommen, wir scheuchen die durchs ganze Haus, dann sind sie im dritten Stock müde, und verstehen tun sie eh nix.«
    Ich glaube, Besson wurde niemals richtig gewürdigt. Er legte auch wenig Wert auf Ehrungen, und am Ende ist vieles vergessen. Bis 1978 blieb er an der Volksbühne, und mit seinem Weggang endete die große Volksbühnen-Zeit. Diesen Mann mit den immer neuen Ideen für das Theater konnte nichts halten, wenn er sie nicht realisieren durfte. Er ging in die Welt. Er war kein Beamter, kein Eintrichter für müde Leute. Er war ein kindlicher Zauberer, und so werde ich ihn in Erinnerung behalten. Jahre später sah ich Inszenierungen von ihm an anderen Orten. Ezio Toffolutti hatte zu all seinen Aufführungen Kostüme und Bühnenbilder gestaltet. Da fand ich das verlorene Lachen wieder.
    Und dann bekam ich meine wichtigste Hauptrolle: Mama sein. Für jedes meiner Kinder habe ich eine Hauptrolle nicht gespielt. Für Jacob war es Tschechows Möwe und für Jenny der Hamlet . Beide Stücke sollten Karge/Langhoff inszenieren. Aber was bedeutet schon eine Hauptrolle gegen ein wunderbares, winziges neues Kind im Arm?

Aufbruch von der Volksbühne
    In meiner Erinnerung waren die siebziger Jahre für die Berliner Theater die kreativste, die beste Zeit. Wunderbare Kollegen kamen an die Volksbühne, die wie ein Magnet auf- und ausbrechende Schauspieler anzog, aber auch am Deutschen und am Maxim-Gorki-Theater arbeiteten großartige Ensembles.
    1976 bekam ich als Gast am Berliner Ensemble die Rolle der Eva aus dem Puntila und meine Tochter Jenny. Im Puntila zeigte Ekkehard Schall zum ersten Mal sein komödiantisches Talent. Und ich bemühte mich mitzuhalten – das hat geknallt!
    Es war also ein gutes Jahr. Bis im November die allgemeine Hoffnung auf gesellschaftliche Liberalisierung und Meinungsfreiheit jäh zerstört wurde. Es kam der Tag, der eine Wende war: Nach einem Konzert Wolf Biermanns in der Kölner Stadthalle wurde er ausgebürgert.
    Worte wie »Hausverbot« oder »unerwünschter Vorgang« hatte man schon gehört, aber »Ausbürgerung«? Das war ein Novum, gegen den sich umgehend Widerstand formierte. Künstler, Prominente in Ost und West protestierten. Zwölf DDR -Schriftsteller schickten einen von Stephan Hermlin initiierten offenen Brief an die DDR -Führung mit dem Appell, Biermanns Ausbürgerung zurückzunehmen und ihn wieder ins Land zu lassen. Das Neue Deutschland, das den Brief auch erhalten hat, druckte ihn natürlich nicht ab, die Menschen erfuhren das aus den West-Medien, und in den darauffolgenden Tagen schlossen sich rund hundert weitere Schriftsteller, Schauspieler, bildende Künstler an. Der Staat forderte einen Protest gegen den Protest, das heißt, in einem anderen offenen Brief bestätigten

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