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Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
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Courage-Aufführung ist ein besonderer Abend mit hohem Anspruch an meine Physis und an meine Gefühle. Es ist Krieg, ich verliere in dem Stück durch meine Schuld meine drei Kinder, ich mache meinen Schnitt als Händlerin, ich versuche zu überleben. Es gibt tragische Situationen, die mir ehrliche Trauer abfordern, die glaubwürdige Empfindungen brauchen. Am Ende bin ich jedes Mal völlig kaputt. Der Riesenapplaus – eigentlich sind es immer Ovationen – gibt mir neue Kraft und lädt meine emotionalen Batterien wieder auf für die nächste Vorstellung dieser wunderbaren Rolle.
    Ja, eine Brecht-Schauspielerin bin ich inzwischen sehr gerne.

Die Tücken der Technik
    Wir Theaterschauspieler sind waghalsig, abenteuerlustig, artistisch grandios, sportlich belastbar. Wir spielen jahrelang auf Bühnen, die schräg sind und uns deshalb schmerzhaft daran erinnern, dass wir eine Wirbelsäule und Hüftgelenke haben. Wir spielen mit grippalem Infekt und mit Darmkatarrh. Wir singen und sprechen mit Angina und Bronchitis, wenn sich eine Zahnplombe gelöst hat oder die Nase vor sich hin blutet. Martin Wuttke brach sich bei einer Vorstellung an der Volksbühne das Wadenbein und spielte noch zwei weitere Vorstellungen mit Krücken.
    Wenn ein Scheinwerfer über uns zerknallt oder etwas herunterfällt, wenn sich die Szene verdunkelt, weil der Lichtcomputer ausgefallen ist, spielen wir weiter, als gehöre das zum Stück. Wir Schauspieler sind Steher.
    Doch manches Bühnenbild birgt von vornherein Tücken. So in unserem Dauerbrenner Bezahlt wird nicht , das wir über zehn Jahre lang am BE gespielt haben. Auf der Bühne standen Küchenschränke, in denen ich die von mir geklauten Supermarktwaren versteckt hatte. Unter dem Bühnenboden verliefen elektrische Kabel, mit deren Hilfe Techniker aufs Stichwort die Schranktüren öffneten: Die oberen gingen auf, ich knallte sie zu, dann öffneten sich die unteren, ich knallte sie zu, und das immerfort. Im Gegenrhythmus rannte Peter Bause, mein Ehemann Giovanni, hinter mir her und suchte das Zeug. Wir verfolgten uns gegenseitig, sprachen unseren Text und hatten ein irres Tempo drauf. Das war Slapstick auf höchstem Niveau.
    Ich bückte mich also einmal, um die unteren Türen zu schließen, fuhr hoch und knallte mit dem Kopf gegen eine obere Tür, die sich zu früh geöffnet hatte. Ich sprach meinen Text weiter, hörte mich aber immer den gleichen Halbsatz sagen. Auch spürte ich an Kopf und Hals etwas Kaltes. Peter Bause trat an die Rampe und sprach geistesgegenwärtig ins Publikum: »Meine Frau Antonia, also meine geschätzte Kollegin Carmen-Maja Antoni, hat sich verletzt, sie sieht das Blut nicht, aber ich und Sie sehen es. Ich bitte einen Arzt auf die Bühne, und Ihnen gönne ich eine kleine Pause – Sie haben ja bezahlt! – vielen Dank.« Das konnte er großartig, Situationen retten und durchparlieren.
    Ich bekam einen Druckverband, spielte bis zum Ende, es ertönte Wahnsinnsapplaus. Nach der Vorstellung ging es in die Charité, wo die Wunde genäht wurde und ich eine Tetanusspritze bekam. Am nächsten Morgen fuhr ich wieder zur Probe.
    »Augen auf bei der Berufswahl«, sagte Peter Bause gern.
    Es gibt etliche Stücke, die solche kleinen und größeren Turbulenzen geradezu herausfordern, was meist an einer pompösen Ausstattung oder an vielen Requisiten liegt.
    In der Kleinbürgerhochzeit ruht ein Teil der Bühne des BE auf riesigen Federn, so dass sie immer leicht wankt. Das soll eine Metapher für die morbide, untergehende Gesellschaft sein. Auf dieser wackeligen Bühne steht ein langer, schmaler Tisch. Dahinter sitzen wir zu neunt in einer Reihe, essen, trinken, palavern. Mir obliegt es, dauernd etwas zu servieren, das heißt, ich stehe auf, drehe mich um die eigene Achse, quetsche mich durch eine schmale Tür, um alle möglichen Speisen und Getränke hervorzuholen, die an der Rückwand aufbewahrt werden. Diese ganze Wand wackelt ebenfalls.
    Es geschah, glaube ich, in einer Voraufführung, als der gedeckte Tisch samt Geschirr, Besteck, Gläsern und Speisen umkippte und in die erste Reihe stürzte. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden, aber spielen konnten wir nicht mehr, beraubt all unseres Werkzeugs. Seitdem bleiben die ersten drei Reihen frei, wenn das Stück auf dem Spielplan steht.
    An einem anderen Abend flog der große Löffel, der in der vollen Puddingschüssel steckte, durch eine falsche Geste ins Publikum und landete auf dem hellen Anzug eines Zuschauers. Der reagierte

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