Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)
gefaltet, warten sie ab, was auf der Straße oder in ihrem Leben passiert.
Als wir den ersten Teil drehten, war es Winter, an manchen Tagen lag Schnee, manchmal nicht. Einmal Schnee, immer Schnee, die Anschlüsse müssen stimmen, also brauchten wir Schnee. Der Szenenbildner musste welchen herzaubern. Als wir keinen Schnee mehr brauchten, hatte es über Nacht wie verrückt geschneit. Nun musste der Schnee beseitigt werden.
Natürlich feiert man Weihnachten im Winter, aber dass das Thermometer an dem Tag, an dem wir Weihnachten drehten, auf minus 14 Grad sank und der Wind eisig blies, war nicht vorgesehen. Ein Weihnachtsgottesdienst beginnt in der Dämmerung, doch die Dämmerung brachte noch mehr Kälte. Festliche Kleidung ist angesagt zum Kirchgang, aber festliche Kleidung ist nicht warm. Also Hütchen auf, Sonntagsschuhe und Mäntelchen an, keinen Schal, denn am Kragen sollte die Anschlussbluse rausschmulen, nämlich die, die ich in den Szenen davor und danach trug. Am Morgen dieses Tages glaubte ich noch, ohne wärmende Winterunterwäsche auszukommen, am Nachmittag bereute ich das bitter. Wärmesohlen in den Schuhen und Handwärmer in den Wartepausen helfen kaum. Die Kälte kriecht bis ins Mark, besonders, wenn man steht und wartet. Beim Filmen wird sehr viel gewartet. Die Technik muss eingerichtet werden samt Kran und Kameras, es sollen vierzig Menschen in die Kirche laufen, und das immer wieder in einer vorgesehenen Reihenfolge, dazu bitte schön mit fröhlichen Gesichtern, denn es ist Weihnachten.
Drehen im Winter ist Horror, frieren ist einfach schlimmer als schwitzen. Es ist schon heftig, was Schauspieler auf sich nehmen, um eine Situation glaubhaft darzustellen.
In Krauses Kur suchten wir das Dübener Ei. Das war ein in der DDR ungemein beliebter, weil leichter und nicht mal zwei Meter langer Campingwagen. Fünfzig Jahre lang produzierte man ihn in Bad Düben. Er ließ sich mühelos von Krauses Motorrad samt Beiwagen ziehen. Das Ding, auch Kuschelkugel genannt, stand im Film unter Heu versteckt in einer Scheune, und wir mussten es laut Drehbuch suchen. Nicht nur einmal wurde diese Such-Szene gedreht, die ganze Scheune war eine einzige Staubwolke, uns piekten Spreu und Heu im Nacken, an den Armen und Beinen, ach überall, wir konnten kaum sprechen, weil wir dauernd husten mussten, aber später im Film sah alles wunderbar aus, und Böhlichs Lachen tröstete uns.
Im dritten Teil brauchten wir Regen, Wolken zogen am Himmel, doch es blieb trocken. Also regnete es aus Maschinen statt aus Wolken. Als wir trockenes Wetter brauchten, regnete es vom Himmel wie aus einer Autowaschanlage. Das Wetter gehört eben zu den Unwägbarkeiten im Film – das und die Requisiten, die Anschlussfehler bergen. Trägt zum Beispiel eine Schauspielerin eine Kette, die sie nach einer Pause nicht mehr umhat, oder ist ein sichtbarer Knopf vorher geschlossen, später nicht mehr, muss das korrigiert werden. Ausgesprochen ärgerlich ist es, wenn eine lange Dialogszene mit Tränen oder tiefen Emotionen geprobt, wieder und wieder gedreht wird, der Regisseur endlich jubelt und nach ein paar Sekunden die Nachricht kommt »Fussel«.
In Wege übers Land bekam ich in einer Szene eine Ohrfeige. Mal war ein Mikrofon im Bild, dann das Material zu Ende, einmal ging der Wäscheschrank nicht auf, dessen Tür sich in dem Moment öffnen sollte – die Ohrfeige landete hingegen jedes Mal pünktlich auf meiner Wange, bis die knallrot und angeschwollen war. Der Regisseur setzte eine vorgezogene Mittagspause an, danach kriegte ich wieder mehrfach eine geknallt. Dann brauchte ich eine längere Drehpause.
Im vierten Teil gab es ein Essen für den Heimkehrer, den Armin Mueller-Stahl spielte. Es sollte eine richtig schöne Fress-Szene sein mit besonderen Leckerbissen, doch für das Besondere brauchte die Produktion eine Genehmigung. Wir drehten also die große Tafelrunde, jeder sollte ausgehungert und gierig in sich hineinstopfen, was nur ging. Es war eine lange Sequenz, für die zwei Tage angesetzt waren. Am zweiten Tag erkrankte Erik S. Klein. Nicht vom Essen, es war irgendwas anderes. Also wurde der Dreh auf den nächsten Tag verschoben. Das so mühsam beschaffte besondere Essen – frisches Obst, Gemüse, Fleisch – wurde abgedeckt und ruhte. Im Studio war es schön warm, die Fliegen hatten trotz der Abdeckung einen Weg gefunden und ihren Eroberungszug gestartet, das ganze Zeug hatte nicht nur farblich arg gelitten. Wir nahmen tapfer von den
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