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Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
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das für die Stücke der vergangenen zehn Jahre am BE . Nichts an der Darstellung ist beschrieben, es findet eine Schlacht von Gesehenem und Gedachtem auf Kosten der Schauspieler statt. Uns sind fast die Voraufführungen lieber, darüber berichtet niemand.
    Ich liebe beides – Filmen und Theater spielen. Die anfängliche Scheu vor der Rolle spüre ich bei jeder Arbeit. Beim Filmen müssen Mimik und Gestik leiser, kleiner, intensiver ausfallen, und das beschränkt auf eine bestimmte Zeit. Nur der Ehrgeiz, das Beste zu geben, der ist der gleiche wie auf der Bühne.

Zweimal Teheran
    Mein Bild vom Iran war geprägt durch das Fernsehen. Angefangen beim Schah von Persien und seiner Frau Farah Diba und den stürmischen Protesten in West-Berlin über den Ayatollah Khomeini bis hin zu Mohammad Chatami – mehr als die Gesichter und ein paar Informationen hatte ich nicht im Kopf, als uns die Einladung zu einem Theaterfestival nach Teheran erreichte. Im Februar 2002 sollte das Berliner Ensemble dort mit Richard II. gastieren. Wir waren gespannt und freuten uns darauf.
    Schon im Vorfeld geschah Ungewöhnliches. Wochen zuvor besuchte uns eine Abordnung aus Teheran. Sie begutachtete die Aufführung und legte fest, welche Szenen geändert werden müssten, um den dortigen Moralvorstellungen zu entsprechen. Wir Frauen dürften auf der Bühne keinen Zentimeter Haut zeigen, müssten die Arme bis über die Handgelenke bedecken. Keine Körperpartie sollte deutlich zu erkennen sein. Körperliche Berührungen wurden strikt untersagt, damit sollte auch der Abschiedskuss unterbleiben, den normalerweise Richard seiner Isabella gibt. Das klang in unseren Ohren wie Theater in Trainingshosen.
    Claus Peymann ging mit uns halb belustigt, halb zornig alle Szenen durch, noch amüsierten wir uns über diese Vorgaben. Die Damen des Ensembles fuhren nach Kreuzberg und Neukölln, um in entsprechenden Läden Tücher und Schleier zu kaufen, eine erstand sogar einen Tschador. Dabei flogen wir in das Land, in dem Chatami sich seit 1997 um Liberalisierung und eine Öffnung gen Westen einsetzte!
    Im Flieger von Istanbul nach Teheran schien alles normal zu sein; europäisch gekleidete, schicke Damen saßen gelassen da, in nichts schien sich dieser Flug von einem anderen zu unterscheiden. Bis kurz vor der Landung. Alles Weibliche stürzte plötzlich in Richtung Toilette, kehrte verwandelt, vermummelt, durch schwarze Tücher unkenntlich gemacht zurück.
    Wir landeten in der Nacht, und auch alles andere um uns herum war schwarz. Der Dolmetscher, der uns empfing, ein attraktiver junger Mann, bat uns dringlich flüsternd, ihm nicht die Hand zu reichen. Wir hielten uns, eingeschüchtert von dieser Kulisse, fast scheu zurück.
    Das Hotel war ausgebucht von Festivalgästen. Vor den Zimmern saßen schwarz gekleidete, verhüllte Frauen auf Stühlen und bewachten den Flur, um zu verhindern, dass ein Mann in das Zimmer einer Frau eindringt.
    Immerhin hatte Peymann durchgesetzt, dass wir Frauen und Männer des Ensembles zusammen essen konnten, nicht in getrennten Räumen, wie dort üblich und vorgeschrieben.
    Gleich am ersten Tag erneuter Knatsch. Im Programmheft zeigte ein Bild William Shakespeare als Baby, nackend. Das ging gar nicht. Peymann drohte, mit dem gesamten Ensemble abzureisen. Nach einigem Hin und Her wurde angewiesen, die Bilder in allen Programmheften zu schwärzen.
    Am Abend wartete vor dem großen Theaterbau, diszipliniert aufgereiht, eine kilometerlange Schlange vorwiegend junger Leute auf Einlass. Westliches Theater ist im Iran selten, das weltbekannte Berliner Ensemble war ein ersehnter, sehr besonderer Gast, alle Vorstellungen waren ausverkauft.
    Die Halle hat 1200 Plätze, rote Plüschsessel, über denen ein gewaltiger Kronleuchter funkelt. An der einstigen Loge des Schahs prangt das Wappen der Islamischen Republik. Rechts neben der Bühne hing ein Bild des Ayatollah Khomeini; vor Beginn jeder Vorstellung wurde es angestrahlt, von einem Tonband ertönte eine Art Gebet, erst danach ging der Vorhang hoch.
    Die Reaktionen im Publikum glichen einem Spektakel, das seinen Höhepunkt bei der Liebesszene fand. Michael Maertens als Richard II . gab seinem Affen Zucker: Statt des Abschiedskusses näherte sich sein Mund dem Isabellas, kurz davor winkte er ab, gab den Kuss auf seine Hand und hauchte ihn weg. Die jungen Frauen im Publikum kreischten vor Vergnügen, schrien auf, sobald sich ein weiblicher und ein männlicher Körper einander näherten – es war

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