Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Leben wird dir nichts geschenkt.

Im Leben wird dir nichts geschenkt.

Titel: Im Leben wird dir nichts geschenkt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Nielsen
Vom Netzwerk:
auf den kleinen Flughafen. Wir sahen etwa hundert Meter entfernt eine kleine Gruppe von Menschen, die alle auf den Eingang zuliefen, den die Männer uns zeigten. »Gehen Sie«, sagten sie.
    Ich weiß nicht mehr, ob wir unsere Taschen daließen, und kann mich überhaupt nur noch schemenhaft an die Reihenfolge der Ereignisse erinnern. Wir rannten zu dem Zaun, der die Tankstelle von diesem Flughafeneingang trennte. Normalerweise musste man dort hindurch, um in den Abflugbereich zu kommen, doch irgendwo hinter uns wurde der Boden plötzlich von Gewehrsalven durchsiebt, und falls wir noch irgendetwas dabei hatten, ließen wir es fallen und kletterten schreiend über den Zaun und rannten zu dieser Tür. Die Flughafenanlage war so primitiv wie die Ferienorte, und diese Tür, die wir fanden, sah so aus, als hätte sie einmal zu einem schäbigen Büro gehört. Als wir sie hinter uns zuzogen, hörte der Lärm der Einschüsse auf. Wir befanden uns eindeutig in einem Verwaltungsbereich. Es war ein kleiner Raum, ganz gewiss nicht groß genug für die vierzig Leute, mit denen wir ihn teilten und die uns voller Angst entgegenblickten. Das Mobiliar war altmodisch und billig. Wir waren die einzigen zwei Weißen dort drinnen, und so schienen die anderen zu glauben, dass wir zu den Angreifern gehörten. Und obwohl wir versuchten, ihnen auf Englisch zu erklären, dass wir in denselben Schwierigkeiten steckten wie sie, schienen sie uns nicht zu glauben.
    Ein alter Engländer war da, der mit seiner Tochter in dem Büro Zuflucht gesucht hatte. Als wir mit ihm redeten, sagte er, mit dem Putschversuch könnte es sehr ernst werden; die bewaffneten Männer waren uns zwar nicht gefolgt, doch es fühlte sich so an, als hätte man uns in eine Gefängniszelle geworfen und die Tür verriegelt. Selbst wenn wir nicht zu vierzig Leuten auf so engem Raum zusammengepfercht gewesen wären, hätte die Hitze uns schrecklich zugesetzt: 37 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit; das einzige Licht drang durch einen schmalen Fensterkranz rings um die Wände kurz unter der Decke herein. Es gab keine Ventilation, keine Klimaanlage, und obwohl wir wegen der Höhe der Fenster nicht hinaussehen konnten, hörten wir einen unablässigen Lärm. Gewehrsalven, Explosionen. Mit jeder Salve leuchtete der Raum matt rötlich auf, und während die Zeit im Schneckentempo zu vergehen schien, zerrte die Situation an unseren Nerven.
    Schließlich traten, ohne Vorwarnung, zwei Männer – ein Rotschopf, beide ursprünglich aus Holland, wie ich später erfuhr – unsere Tür ein. Sie gehörten zu der Söldnertruppe, und sie hatten Maschinengewehre. Der Rotschopf wirkte besonders nervös, irgendwie überdreht und aggressiv. Es kam mir so vor, als stünde er unter irgendeiner Droge und hätte sich nur noch so eben unter Kontrolle. Er war eindeutig bereit, jeden umzubringen, der ihn auch nur schief ansah. Aus keinem ersichtlichen Grund schoss er aus den kleinen Fenstern alle Scheiben heraus und erschreckte uns damit noch mehr. Das Geräusch des Maschinengewehrs auf so engem Raum war ohrenbetäubend. Unter dem anhaltenden Feuer wackelten die Wände, und man spürte die Vibrationen von der Wucht der Schüsse im ganzen Körper. Einige der anderen Geiseln hielten sich die Ohren zu, alle duckten sich, einige schrien. Es herrschte Chaos. Glassplitter regneten auf uns nieder, und als es endlich vorbei war, gab es keine Scheibe mehr. Die beiden Männer verschwanden und ließen uns benommen, schluchzend in unserem Kerker, in dem wir an den Wänden kauerten oder in den Scherben saßen.
    Wir hatten nichts zu essen und – was bei dieser entsetzlichen Hitze viel schlimmer war – kein Wasser. Stunden vergingen, und wir glitten in eine Art Trance hinüber. Eine der anderen Frauen weinte einfach nur ununterbrochen, eine andere bekam ständig Krämpfe, eine dritte wippte vor und zurück und summte etwas vor sich hin.
    Nach einer ganzen Weile kehrten dieselben beiden Männer zurück, traten die Tür auf, bevor sie eintraten, als fürchteten sie wahrhaftig, wir könnten sie irgendwie überwältigen. »Machen Sie ja nicht irgendwelche Dummheiten!«, rief der irrsinnige Rotschopf auf Englisch. Ich weiß nicht, ob und wie viel die Einheimischen von dem, was er sagte, verstanden, doch niemand schien in der Stimmung zu sein, sich als Held aufzuspielen. »Wir haben die ganze Insel eingenommen. Wenn Sie versuchen, diesen Raum zu verlassen, werden Sie erschossen!« Es war Englisch, und ich musste die Sprache

Weitere Kostenlose Bücher