Im Leben wird dir nichts geschenkt.
den Söldnern Gefechte, und aus dem Fax ging hervor, dass sie uns binnen zwölf Stunden bergen wollten. Auch wenn es eine wundervolle Nachricht war, schien es eine endlos lange Frist zu sein, und ich fühlte mich so krank und elend, dass ich nicht wusste, wie lange ich noch durchhalten konnte.
Als die Tür das nächste Mal eingetreten wurde, kamen die Männer nicht selbst herein, sondern warfen uns nur ein Sixpack Cola zu. Es war ein herzloser Witz – sechs Dosen geteilt durch vierzig. Da hätten sie uns besser nichts gegeben. Ich hätte jetzt gerne behauptet, dass sie nach Bedürftigkeit aufgeteilt wurden, doch in Wahrheit stürzten sich vierzig verzweifelte Geiseln auf die warmen Dosen und stiegen übereinander, um eine zu ergattern. Ich hatte keine Chance. Ich glaubte immer mehr, dass ich hier sterben würde. Wie können wir überleben , wenn wir uns nicht einmal gegenseitig helfen, dachte ich nur. Man hofft immer, dass man in einer Notsituation Würde, Mut und Anstand an den Tag legt, doch wie man sich tatsächlich benimmt, weiß man erst, wenn es so weit ist. Wenn einem jemand eine Waffe an den Kopf hält, reagiert man instinktiv. Man hat einen sechsten Sin, der einem sagt, was man zu tun hat, das kann man nicht planen.
Doch dies war wieder so eine Gelegenheit, bei der ich hätte schwören können, dass ich einen Schutzengel besaß, der über mich wachte. In den Raum drang ein unheilvolles orangefarbenes Glühen, und durch die Fenster kam noch mehr Rauch herein. Ein Mädchen neben mir war offenbar zu allem entschlossen. »Feuer«, rief sie. »Wir müssen hier raus «. Sie riss die Tür auf. Es gab keine Diskussion, kein banges Warten mehr, die Coladosen blieben auf dem Boden zurück. Nichts wie weg , dachten wir alle. Alle rappelten sich auf, und ohne darauf zu achten, wer vielleicht zurückblieb, drängten wir uns durch die Haupttür nach draußen.
Seit wir das Fax gelesen hatten, in dem uns versprochen wurde, dass Hilfe unterwegs sei, waren keine zwei Stunden vergangen. Es war zu dunkel und verwirrend, um zu sehen, was genau vor sich ging, doch ich konnte an den Explosionen sehen, wo das Gefecht um den Flughafen im Gange war. Wir saßen genau dazwischen, sozusagen in der Falle, und jeder suchte in einer anderen Richtung sein Heil.
Ich hielt mich an drei Gestalten, die ich soeben ausmachen konnte und die Uniform zu tragen schienen; Nickie zerrte ich hinter mir her. Noch jemand aus unserer Gruppe lief mit, bis er plötzlich direkt neben uns zu Boden fiel: Er hatte einen Schuss abbekommen, und bis heute verfolgt mich der Gedanke, dass Nickie und ich weiterliefen, dass wir seinetwegen nicht anhielten, sondern um unser Leben rannten. Ich habe nie erfahren, was mit ihm passiert ist, doch ich vermute, dass er es wahrscheinlich nicht geschafft hat.
Wir beide erreichten schon bald die Männer, die tatsächlich der regulären Armee angehörten. Sie hatten einen Krankenwagen beschlagnahmt und die Scheiben herausgeschlagen. Wir legten uns darin auf den Boden, und sie rasten mit uns ans andere Ende der Insel. Die Männer waren schwer bewaffnet. An diesem Punkt war es nirgends sicher, und man konnte nicht sagen, wo die Söldnertrupps waren.
Das Krankenhaus hatte nichts, um uns wegen Schock zu behandeln, und so bekamen wir am Ende Kaffee, wahrscheinlich nicht das, was unsere Nerven brauchten, doch inzwischen waren wir für jede Form von Flüssigkeit dankbar. Wir saßen einfach nur ruhig da und sahen zu, wie die Patienten hereingefahren wurden, darunter auch ein Junge mit einem klaffenden Loch im Bauch. Er war höchstens acht Jahre alt. Wir waren hier immer noch zu nahe am Kampfgebiet, und sobald wir dazu imstande waren, wurden wir in ein Hotel in einem sicheren Gebiet gebracht. Dort befand sich bereits das Personal des amerikanischen Konsulats sowie eine Reihe hochrangiger Persönlichkeiten, die rechtzeitig evakuiert worden waren. Mein erster Gedanke galt meinen Eltern. Ich flehte die Amerikaner an, sie irgendwie zu informieren, dass ich in Sicherheit war und mir nichts fehlte. Wir erfuhren, dass der Flughafen schwer beschädigt war, dass viele Telefonleitungen nicht funktionierten und dass eine vierundzwanzigstündige Ausgangssperre verhängt worden war. Die zwölf Söldner waren tot, doch keiner von uns durfte das Hotel verlassen.
Ich stand immer noch unter Schock und zuckte schon zusammen, wenn jemand auch nur ein Glas umstieß. Es kam mir so vor, als hielten sie uns ewig in diesem Unterschlupf fest, obwohl
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