Im Leben wird dir nichts geschenkt.
hatte ich keine Ahnung, dass er noch am gleichen Abend anrufen würde.
Mir zitterten leicht die Hände, als ich das Telefon abhob. Ich meldete mich mit Gitte, mein neuer Name kam mir überhaupt nicht in den Sinn. »Vielen Dank für Ihre Nachricht«, sagte Sylvester. »Wir können uns gerne treffen. Wenn es Ihnen recht ist, komme ich in Bälde bei Ihnen vorbei.« Ich sagte zu und dachte zugleich, wie irre die ganze Situation war: Rocky machte sich auf den Weg in mein Hotelzimmer. Rocky ! In meiner Vorstellung kam da nicht einmal Sylvester, sondern immer noch Rocky. So weit hatte ich das Ganze nicht zu Ende gedacht. Ich sah nicht im Geringsten wie auf dem Foto aus, das ich ihm geschickt hatte. Ich war erschöpft und trug noch die flammend rote Haarfarbe von Red Sonja. Was für ein Schlamassel!
Eine Freundin war gerade bei mir, und wir entschieden uns für ein einfaches Outfit und ein dezentes Make-up nach dänischer Manier. »Wenn er hereinkommt, gehst du«, schlug ich vor. Auf diese Weise konnte ich sitzen bleiben, und er sah nicht gleich, dass ich größer war als er.
Er kam pünktlich, und ich versuchte, mich so zwanglos wie möglich zu geben. Was ich ihm anbot, ein Glas Wein oder Wasser oder sonst etwas, daran kann ich mich nicht erinnern. Wohl aber an unser erstes, ziemlich bizarres Gesprächsthema – Scheidungen. Der Altersunterscheid zwischen uns betrug achtzehn Jahre, doch wir machten gerade das Gleiche durch, und das brachte mir zu Bewusstsein, dass wir viel gemeinsam hatten. Er schien ein echter Gentleman zu sein – liebenswürdig, bodenständig. Ich war absolut sprachlos. Ich fand ihn schlicht umwerfend. Er gab mir seine Privatnummer sowie die Kontaktdaten seiner Sekretärin, und als er sich zu gehen anschickte, ermunterte er mich, mich unbedingt zu melden, sollte ich je nach Los Angeles kommen.
Ich vergaß bei seinem Aufbruch völlig, dass ich mir vorgenommen hatte, nicht aufzustehen, und als ich es nun doch tat und ihn deutlich überragte, konnte er kaum seinen Schrecken verbergen. Ich war mit einem Schlag verlegen, und während ich mit meinem grellen Rotschopf so auf ihn herabblickte, verflog meine Gelassenheit und ich begann drauflos zu plappern: »Also, es war so nett, Sie kennenzulernen, herzlichen Dank, es war großartig, ja wunderbar … alles Gute dann, bye-bye!« Unwillkürlich bediente ich mich jener typisch dänischen Geste, mit der man Freunde oder Verwandte verabschiedet, indem man beide Hände so bewegt, als schwenkte man ihnen aufgeregt winzige Fähnchen zu.
Als er den Korridor betrat, wandte er sich um, und es war wie in einem Film. »Red Sonja«, sagte er und schaute mich dabei unverhohlen an, »Hätten Sie Lust, mit mir heute Abendessen zu gehen?« Aber ja, danke, Sylvester, sehr gerne, was hätte ich sonst sagen sollen?
»Abgemacht. Ich schicke in zwei Stunden einen Wagen vorbei.« Kaum war Sylvester fort, verlor ich das letzte bisschen Selbstkontrolle und rief reihum in meinem Freundeskreis an, um ihnen die Neuigkeit zu melden. Es kam mir so vor, als hätte ich ein Date mit ihm, und obwohl ich auch jetzt nichts an meinem kriegerischen Wikingerschopf ändern konnte, kam mir wenigstens die Routine des Models zupass, und ich machte mich für den Abend mit ihm umwerfend zurecht. Aus der Reihe eleganter Abendkleider, die ich dabei hatte, wählte ich eins von Gucci aus, und auf mein Make-up verwandte ich besonders große Sorgfalt.
Pünktlich um 20.30 Uhr fuhr der Wagen vor. Sylvester saß an einem imposanten runden Tisch mit einem so weißen Tischtuch, das man hätte schneeblind werden können. Sein Bruder Frank war dabei, wie auch Sylvesters Freundin und Jake Bloom, der mächtige Entertainment-Anwalt aus LA, dem ich zuletzt in Rom mit Arnold Schwarzenegger begegnet war. Es kam mir ungelegen, ihn unter so anderen Umständen wiederzusehen, aber Sylvester sagte nichts, und zumindest schaute Jake mich nicht so misstrauisch an wie Sylvesters Freundin und sein Bruder. Also stürzte ich mich auf Jake und begrüßte ihn, als wäre er ein guter Freund, den ich ewig nicht gesehen hätte.
Sylvester warf dem Anwalt einen Blick zu, als wollte er fragen, wie um Himmels willen er mich kennen konnte, doch ich hatte jetzt wenigstens jemanden, mit dem ich mich einen Abend lang unterhalten konnte, nachdem die Freundin klar zu erkennen gegeben hatte, dass sie ganz und gar nicht glücklich darüber war, was hier ablief. Mir kam es seltsam vor, dass sie recht früh am Abend zum Aufbruch bliesen, ohne das
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