Im Leben wird dir nichts geschenkt.
fühlte mich nach wie vor matt, aber all meine Energie kam schlagartig zurück, als ich bemerkte, dass Raoul ebenfalls nicht nach Hause gegangen war. Mal sehen, was er vorhat, dachte ich. Er sah mich und kam herüber.
»Danke noch für gestern Abend, das war echt schön«, sagte er. »Du siehst gut aus heute Morgen.« Das waren die rechten Worte zur rechten Zeit, und ich fragte mich, warum er noch nicht nach Hause gegangen war. Was immer er vorhatte, ich freute mich, dass er noch da war. Vielleicht würden wir sogar am Ende Robertos Party zusammen verlassen. Raoul fragte mich, was ich vorhatte. Ich musste einen Termin mit Zucchero wahr nehmen, dem populären italienischen Jazz- und Pop-Sänger, und danach hatte ich zu arbeiten. Ich schlug vor, er solle doch einfach mitkommen. Ich hatte ein Mercedes-Cabrio herbestellt und fühlte mich etwas überdreht. Warum , dachte ich, sollte Raoul nicht mit mir kommen?
Er schien jedoch etwas zu zögern, weil er auf seiner neuen Harley-Davidson hergekommen war. »Ich kann das Motorrad nicht hier lassen«, entschuldigte er sich. »Das geht nicht.«
»Mann, komm schon. Krieg das gebacken und komm mit«, fuhr ich ihn an, irritiert über seinen lächerlichen Einwand. »Ich hole meine Taschen. Hier ist der Wagenschlüssel. Wenn ich zurückkomme und du sitzt im Wagen, kommst du mit, wenn nicht … na dann weiterhin alles Gute.«
Wie oft sollte ich mir in den kommenden Jahren wünschen, dass ich mit meinen Taschen heruntergekommen wäre, ohne Raoul im Wagen vorzufinden. Aber er war da, und damit begann eine vierzehn Jahre dauernde Phase meines Lebens, die außer Kontrolle geraten sollte. Unaufhaltsam. Aber zunächst machte unsere Beziehung mächtig Spaß, war überwältigend und romantisch.
Nach meinem Interview fürs Fernsehen fuhren wir zum Gardasee, wo wir uns Zeit für eine Bootsfahrt nahmen, nur wir zwei, bevor wir in ein Hotel eincheckten. Dabei handelte es sich um eine Villa, die der italienische Diktator Mussolini als späte Zuflucht aufgesucht hatte und die jetzt zu den exklusivsten Adressen des Landes gehörte. Die Villa Feltrinelli befindet sich unweit des Seeufers, hübsch gelegen hinter hundertjährigen Bäumen. Man konnte nachvollziehen, dass die Lage dem in Schwierigkeiten geratenen Diktator zugesagt hat. Jetzt ist es ein sehr schickes Hotel, und Superstars finden es besonders reizvoll, dass man es nur übers Wasser erreichen kann. Tom Cruise und Katie Holmes haben hier Wochen verbracht, und David und Victoria Beckham waren ebenfalls hier zu Gast.
Trotz der schützenden Baumreihe hatte man von unserer Suite einen überwältigenden Rundblick über den See. Die lokale Geschichte war überall mit Händen zu greifen. die Wände waren voller Bücher und alter Gemälde. Wenn einem der Sinn danach stand, konnte man eine Menge über die Beziehung zwischen Hitler und Mussolini erfahren, ihre gemeinsamen Erfolge und die Gründe, die schließlich zu ihrem Scheitern führten. In diesem Hotel verbrachten Raoul und ich unsere erste Nacht zusammen, und wir sollten von da an für Jahre praktisch Tag für Tag zusammenbleiben.
Raoul lebte damals in einer winzigen Wohnung im Mailänder Viertel San Siro. Er teilte seine Bleibe mit einer Freundin, einer Isländerin, mit der er sich viel zu streiten schien. Ich hielt mich da raus, aber kam noch mehrmals mit ihm zusammen. Über eine Woche lief das sehr gut, aber dann musste ich nach LA zurück. Das war meine Basis, und er war in Italien, also wussten wir beide, dass es so nicht weitergehen konnte.
Kaum war ich zurück in LA, als die Anrufe begannen. Es ging mir mächtig auf den Geist und ich bedauerte, dass ich ihm nicht nur meine Privatnummer, sondern auch die Nummer meines Autotelefons gegeben hatte. Nicht selten legte er auf und rief gleich wieder an, es machte mich wahnsinnig wütend. Das Ganze stand in keinerlei Verhältnis zu den wenigen Tagen, die wir gemeinsam verbracht hatten. Er hatte mich in Italien noch mit seiner Schwester bekannt gemacht, und als ihre Mutter bekannte, nie von mir gehört zu haben, enttäuschte ihn das sehr. Sie war schlicht eine kleine alte Dame, und wenn er sich ihr gegenüber so benahm, hätte ich mich eigentlich fragen müssen, wie er sich wohl mir gegenüber verhalten würde.
Es war das Gleiche am Telefon. Er zeigte ziemliche Macho-Allüren, und wenn ich mich viel mit ihm beschäftigte, so nur, weil ich nach der Arbeit zu Hause wenig zu tun hatte, außer daran zu denken, wie es wohl Julian und meinen
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