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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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bringen kann. Das ist dann das Geschenk des Tiergeistes. Und wenn der Mann weiß, dass das Kind bereit ist, geboren zu werden, hat er Geschlechtsverkehr mit seiner Frau und sagt: ›Ich lege das Baby jetzt in dich.‹ Die Mutter bringt das Kind lediglich zur Welt, doch das ist nicht ihre einzige Aufgabe im Stamm. Sie ist verantwortlich für die Harmonie zwischen den Stammesangehörigen und der Erde. Wir glauben, ein Baby ist eine Fortsetzung des
dreaming,
und wir heißen jedes Kind willkommen, ganz gleich, ob Junge oder Mädchen.«
    »Dann sind Mann und Frau also gleichberechtigt, und die Frauen werden nicht nur als untergeordnete Gebärmaschinen betrachtet?«, stellte Susan fest. »Die Vorstellung gefällt mir.«
    Jennifer nickte. »Manchmal kann die Frau bestimmen, ob sich das Baby entwickelt, und manchmal kommt der Kindgeist auch von einem bestimmten Ort zu ihr, bevor der Vater davon träumt. Es gibt Fruchtbarkeitsstätten wie Uluru oder bestimmte Höhlen, Felsen oder
billabongs.
«
    Veronica blickte nachdenklich drein. »Ich frage mich, ob das erklärt, warum sich manche Leute nie zu ihren leiblichen Eltern hingezogen fühlen. Ich kenne Menschen, die stets auf der Suche nach ihrer wahren spirituellen Identität sind. Vielleicht wären sie glücklicher, wenn sie das Konzept des Zur-Erde-Gehörens kennen würden.«
    »Was für eine großartige Entschuldigung, eine lausige Abstammung zu leugnen!«, stimmte Susan zu.
    »Was passiert, wenn eine Frau eine Fehlgeburt erleidet oder eine Abtreibung vornimmt?«, erkundigte sich Veronica.
    »Wir haben da so unsere Mittel, Kräuter, die eine Empfängis verhüten, und die alten Frauen wissen, wie man eine Schwangerschaft beendet. Wir müssen den Ort wechseln, um uns mit Nahrung versorgen zu können, und Babys, die zu rasch hintereinander zur Welt kommen, könnten eine Frau daran hindern, mit ihrem Stamm zu ziehen. Die Aborigines lieben Kinder, aber wir glauben nicht, dass ein Baby allein zu seinen Eltern gehört – es handelt sich vielmehr um eine Folge des Zusammenspiels von Natur und Geistwelt. Der gesamte Stamm bildet seine Familie, denn wir alle entstammen ein und derselben Quelle: der Kraft der Schöpfung und Mutter Erde.« Jennifer stand auf. »Wir Frauen verfügen über ein großes Wissen. Wenn ihr möchtet, können wir es mit euch teilen. Vielleicht für dein Radioprogramm, Veronica.«
    Veronica suchte ihr Handtuch, ihre Sandalen und ihren Sarong zusammen. »Ja, das wäre schön. Das wäre wirklich sehr schön.«

[home]
    Bei den
wandjina
    A uf der Rückseite ihres Zelts saß Veronica auf einem Stuhl und griff in den kleinen Styroporbehälter, aus dem sie ein versiegeltes Päckchen mit einer Spritze und einer Phiole zutage förderte. Sie riss es auf, stach die Nadel in die Flüssigkeit und zog die Spritze auf. Probehalber drückte sie einmal kurz darauf, dann kniff sie die Haut an ihrem Oberschenkel zusammen und spritzte sich den Inhalt des Fläschchens hinein. Die gebrauchte Nadel und Phiole wanderten zusammen mit dem Plastikpäckchen in einen Müllbeutel, den sie zurück in den Styroporbehälter steckte und im Kühlgerät des OKA verstaute.
    Niemand hatte den Vorfall bemerkt, mit Ausnahme von Lilian, die geräuschlos von den Bäumen ins Barradja-Lager zurückkehrte, nachdem sie einen weiteren Morgen vergeblich nach wildem Honig gesucht hatte.
     
    Veronica ging zum Fluss hinüber und setzte sich still auf ihren Lieblingsplatz. Sie war tief in Gedanken versunken, als Jennifer kam und sich neben sie setzte. »Schönes Fleckchen, nicht wahr?«
    »Ja. So friedlich.« Veronicas sonst so überschäumendes Temperament wirkte gedämpft.
    »Geht es dir gut?«, erkundigte sich Jennifer. »Meine Mutter macht sich Sorgen um dich.«
    »Ach ja? Warum denn?«
    »Sie glaubt, du hast ein Drogenproblem. Vielleicht sollte ich dich lieber nicht darauf ansprechen.«
    »Ich bin nicht drogenabhängig, ich bin in einem Programm zur In-vitro-Fertilisation – ich versuche, ein Baby zu bekommen!« Veronica brach in Gelächter aus. Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf Jennifers Gesicht aus.
    »Auf dem Gebiet kenne ich mich nicht aus; ich habe nur gehört, dass es eine sehr schwierige Methode ist, ein Kind zu bekommen. Warum haben dir die Ärzte dazu geraten?«
    »Wegen meines Alters produziere ich nicht genug Eier, zumindest keine, die kräftig genug sind. Das Programm wird von einer speziellen Klinik angeboten, und der Arzt verschreibt mir diese Hormonspritzen. Ich injiziere sie

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