Im Licht der roten Erde
Ruhe lassen. Sie kommen zurück, und das Ganze endet mit einer weiteren Prügelei. Das ist ihre Art zu leben. Sie sind gut, wenn sie arbeiten, doch wenn es alle paar Monate mal nichts zu tun gibt, gibt’s Ärger. Wir haben den Alkohol aus Yandoo verbannt, aber sie kommen trotzdem dran. Ein paar weiße Mistkerle verkaufen ihn unten in den Grenzgebieten. Dad sagt, wenn er herausfindet, wer sie sind, knallt er sie ab. Bringt jedes Mal die ganze Station in Aufruhr.« Andrew schüttelte den Kopf. »Es ist der verfluchte Alkohol. Sie können damit nicht umgehen. Sie trinken zu lassen war das Schlimmste, was man ihnen hat antun können.«
»Genau wie ihnen das Stimmrecht zu geben? Ich schätze, das muss die weiße Gesellschaft auf ihre Kappe nehmen«, sagte Susan und fügte hinzu: »Sie haben sie als ›Ihre Leute‹ bezeichnet. Das klingt ein wenig herablassend. Läuft es so in Yandoo? Sie sind der große weiße Boss, der sich mit den aufrührerischen Schwarzen unten am Wasserloch auseinandersetzen muss?« Ihr Ton war freundlich, doch Andrew zuckte bei der spitzen Bemerkung zusammen.
»Ich werde nicht auf diese Schuldschiene aufspringen – wir müssen uns nicht alles zur Last legen, was den Aborigines in den vergangenen zweihundert Jahren widerfahren ist. Ich setze mich lediglich mit den Tatsachen und Problemen auseinander, die Tag für Tag auf mich zukommen«, erwiderte er und warf ihr einen herausfordernden Blick zu.
Schnell ging der Richter dazwischen. »Immer mit der Ruhe. Sie gehen am Thema vorbei. Wir alle treten seit Jahren auf der Stelle … suchen nach jemandem, den wir zur Verantwortung ziehen können, und kleben Pflaster auf eine blutende Wunde, die langsam brandig wird.« Der breite Akzent des Richters und sein anschwellendes Näseln wiesen auf seine Zeit als Hafenarbeiter hin, in der er Geld verdienen musste, um die juristische Fakultät besuchen zu können.
Jetzt schaltete sich auch Alistair MacKenzie mit seiner diplomatischeren Art ein. »Es ist an der Zeit, dass wir unser Verhältnis zu den australischen Ureinwohnern überdenken.«
»Die sich ziemlich wacker schlagen, wenn es um ihre eigenen Angelegenheiten geht«, sagte Andrew. »Ihre Besitzansprüche auf Land, weitere Geldforderungen, Einnahmen aus Schürfrechten für Minen und Erschließungen, noch mehr Behörden, was auch immer. Ihr Stadtleute versteht doch gar nicht, was außerhalb der Metropolen passiert. Das gerät doch total außer Kontrolle. Nichts davon nützt uns, ihnen oder dem Land.«
Veronica traf gerade rechtzeitig ein, um der Diskussion die Schärfe zu nehmen, und führte die beiden Juristen ins Haus. Andrew und Susan blieben mit einem leicht unbehaglichen Gefühl allein unter der alten Japanischen Wollmispel zurück, die das Leben in der Stadt seit vielen Jahren irgendwie überstanden hatte.
Andrew ergriff als Erster das Wort. »Hören Sie, ich möchte mich entschuldigen. Ich wollte weder Sie persönlich noch Ihren Berufsstand angreifen, doch da draußen im Westen liegt eine andere Welt. Das Problem mit den Aborigines ist ein sehr ernstes. Ich garantiere Ihnen, wie auch immer Ihre Ansichten diesbezüglich sind, sie werden sich ändern, wenn Sie Zeit dort draußen verbringen. Die meisten weißen Australier haben keine Ahnung, worin die wahren Probleme bestehen, und schon gar nicht die Politiker und die Medien.«
»Vielleicht sollte ich das tun.« Die Worte kamen aus Susans Mund, noch bevor ihr klar war, dass sie sie ausgesprochen hatte.
Andrew blickte sie verwirrt an. »Sollten Sie was tun?«
»Zeit dort draußen verbringen. Dürfte ich Sie bei Gelegenheit in Yandoo besuchen?«
Ein erfreutes Grinsen breitete sich auf Andrews Gesicht aus, doch er antwortete zurückhaltend. »Natürlich, wenngleich ich keine Ahnung habe, was Sie sich davon erwarten. Ich hoffe nur, Ihnen ist klar, wie abgeschieden die Station ist, wir sind mitten in der Kimberley in der Nähe der Territoriumsgrenze.«
»Ich weiß es auch nicht. Aber es stimmt: Ich reiße tatsächlich den Mund auf und trete für die Belange der Benachteiligten ein – Sie wissen schon: alleinerziehende Mütter oder Väter, Schwule, Opfer von sexueller Belästigung oder Vergewaltigung, Kinder, alte Menschen, Aborigines –, und heute ist mir klargeworden, dass ich nie aus erster Hand erfahren oder beobachtet habe, was diese Leute durchmachen.« Sie lächelte. »Vielleicht sollte ich genau das einmal tun.«
Andrew starrte sie leicht verblüfft an, doch er erwiderte ihr Lächeln.
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