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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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an. »Warum mögen Sie uns nicht?«
    Shareen zuckte zurück bei dieser unverblümten Frage, die sie unvorbereitet getroffen hatte. »Das habe ich nie gesagt.«
    »Hören Sie zu, lernen Sie. Öffnen Sie Ihre Seele, Ihr Herz«, sagte Ardjani.
    Esme setzte sich wieder. »Ich denke, wir sollten weiterfahren und uns die
gwion gwion
ansehen. Sie sind ebenfalls etwas ganz Besonderes.«
     
    Im OKA erklärte Alan den anderen, dass die
gwion gwion
bei den weißen Australiern als »Bradshaws« bekannt waren, und versuchte, diese zu beschreiben – die wunderlichen Kunstschätze, Felsmalereien, die in Höhlen im ganzen Land zu finden waren –, als ihm bewusst wurde, dass er bislang nur Fotos davon gesehen hatte, wobei Kameras niemals der Schönheit dieser tanzenden Strichmännchen gerecht werden konnten. Die Bradshaws, die sie sich ansehen würden, befanden sich unter einem Felsvorsprung auf der Eagle-Rock-Station – eine weitere Stätte, die die Barradja seit Jahren nicht mehr hatten besuchen können. Doch nun hatte sich das dank des Treffens von Jennifer und den Juristen mit Len und Dawn Steele geändert.
    »In den vergangenen Jahren haben sich die Bradshaws zu äußerst umstrittenen Kunstwerken entwickelt«, erklärte Alan. »Gewisse Leute haben ihre eigenen Thesen, woher sie stammen.«
    »Wie der Richter schon sagte: Es ist wie in Erich von Dänikens Buch
Erinnerungen an die Zukunft,
in dem er behauptet, die
wandjina
seien von Außerirdischen geschaffen worden«, sagte Veronica.
    »Ja. Manche behaupten, diese Malereien entstammten einer anderen Kultur, von Menschen, die hierherkamen, als zwischen Asien und Australien nur ein schmaler Wasserspalt lag. Sie bauen ihr Argument auf der Tatsache auf, dass sich der Stil der Bradshaws von der übrigen Aborigine-Kunst in der Region unterscheidet. An manchen Stätten sind sie unter den
wandjina-
Figuren auf den Fels gemalt, weshalb diese Leute behaupten, es habe hier eine noch ältere Rasse gelebt. Die Barradja stimmen dieser Vorstellung nicht zu, genauso wenig wie die renommierten Forscher.«
    »Darauf wette ich. Würde das nicht ihre ganzen Ansprüche auf indigene Eigentumsrechte über den Haufen werfen?«, fragte Shareen.
    »Wie weit müssen diese denn noch zurückdatiert sein?«, rief Susan aus.
    Ardjani hob eine Hand und bedeutete Beth zu sprechen. »Wie Ardjani bei der letzten Kunststätte, die wir besichtigt haben, erklärt hat, sind die
wandjina
die Boten der
wunggud-
Kraft, und nachdem sie das Land geformt hatten, gaben sich die
wandjina
im Fels Gestalt. Es war der
gwion gwion-
Vogel, der an den
wandjina-
Felswänden pickte und das Bild aus dem Inneren des Sandsteins an die Oberfläche holte, wie ein Negativ das Positiv hervorbringt. Auf diese Weise sind die
wandjina-
Malereien über die
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gelangt. Sie sind alle Teil der Barradja-Kultur.«
    »Wir sind von Beginn an hier gewesen«, wiederholte Digger schlicht.
    »Ich erinnere mich an das lateinische
ab origine
«, sagte Mick unerwartet. »Es bedeutet genau das: ›von Beginn an‹.«
     
     
     
    Shareen starrte aus dem Fenster von Hunters Safari-Fahrzeug. Obwohl sie in einer Provinzstadt lebte, kam sie selten in den Busch. Sie fühlte sich hier draußen wie eine Außenseiterin, gefangen in einer fremden Umgebung, während die Ereignisse in einem schwindelerregenden Strudel an ihr vorbeizogen. Sie war stets stolz darauf gewesen, eine sachliche Frau zu sein. Und genau dieses Selbstbild hatte sie dazu ermutigt, auf die Durchschnittsbürger auf der Straße zuzugehen, die ihr das Gefühl gaben, sie könnte als Politikerin Erfolg haben.
    Sie war ein Produkt der täglichen Diskussionen am Abendbrottisch, wo sich ihr Vater mit donnernder Stimme vor der versammelten Familie über die Bürokraten, die das Land regierten, ausließ und ihre Mutter »den Reichen« die Schuld an allem zuschob, was für sie unerreichbar oder unerschwinglich war.
    Shareen war mit dem Mantra »Wenn du willst, dass etwas getan wird, tu es selbst« aufgewachsen. Als sie daher von einer der rechtsgerichteten Farmergruppen für einen unabhängigen Sitz im westaustralischen Parlament vorgeschlagen wurde, war sie einverstanden gewesen. Jetzt, an diesem unzivilisierten Fleck Erde, schienen mit einem Mal all die schablonenhaften Stereotype zu verwischen. All das Gerede, die Theorien und vor allem die innere Einstellung dieser Weißen hier vor Ort waren äußerst irritierend. Sie wünschte, sie hätte bereits den neuen Berater an ihrer Seite, den die

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