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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Ahnengeister besänftigen wollten.
    Hunter blickte Rowena an. Blass und besorgt beobachtete sie die beiden Männer, wohl wissend, dass ein solches Ritual nicht eingehalten worden war, als sie die Europäer hierhergebracht hatte.
    Ardjani zündete einen kleinen Blätterhaufen an und ging ein Stück vor, wobei er mit seiner kräftigen, klaren Stimme zu singen anfing. Rusty und Digger warteten mit gesenkten Köpfen. Wieder stimmte Ardjani seinen einem Ruf ähnlichen Gesang an. In seiner Stimme schwang nun ein anderer Ton mit, der Rusty und Digger stocken ließ. Ardjani bedeutete ihnen, zu ihm zu treten. Sie murmelten etwas miteinander, dann sang Ardjani wieder.
    »Gibt es ein Problem, Lilian?«, fragte Beth.
    Sie schürzte die Lippen. »Überall fliegen Ahnengeister herum. Ungute Stimmung.«
    Die Ältesten blickten sich zur Gruppe um. »Die Geister sagen, es gibt ein Problem. Sie sind sehr unglücklich. Wir gehen dem lieber mal nach«, sagte Rusty. In seiner Stimme schwang eindeutig Angst mit.
    Die Gruppe folgte Ardjani, flankiert von Rusty und Digger. Susan bot Esme die Hand, die den Kopf schüttelte und sich stattdessen auf ihren Stock stützte.
    Als sie das Felsdach erreichten, betraten die Ältesten zuerst die Höhle. Ihre schockierten Ausrufe hallten von den Felswänden wider.
    »Was ist los?«, rief Beth. »O mein Gott!«
    Hinter ihr drängten sich die anderen und starrten auf die Höhlenwand, auf der sich Bilder von tanzenden Strichmännchen um eine flache Felsplatte rankten.
    Eine frische Wunde, wie rohes Fleisch, klaffte inmitten des alten, verwitterten Sandsteins, ein grobes Rechteck von etwa einem Meter Durchmesser; die Metallkeile, die man in den Fels getrieben hatte, um die Steinschnitte vornehmen zu können, waren noch an Ort und Stelle.
    »Es ist gestohlen worden!« Keuchend sprach Susan das Offensichtliche aus, während die anderen fassungslos auf die geschändete heilige Stätte blickten. Sie sah die drei alten Männer an.
    Ardjani trat zu Rusty und Digger. Tränen glänzten auf seinem Gesicht; die Gegenwart der anderen schien er nicht zu bemerken. »Wer könnte das getan haben?«, fragte er. Die anderen Ältesten waren sprachlos, ihre Gesichter schmerzverzerrt. Eine solche Tat lag jenseits ihrer Vorstellungskraft.
    Die alten Männer setzten sich und begannen zu murmeln. Jennifer und Lilian traten beiseite und sprachen leise miteinander. Die Gruppe verharrte schweigend, bis Digger sie anblickte. »Das ist eine schlimme Sache, sehr schlimm.«
    »Diebe sind gekommen und haben die
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gestohlen«, sagte Rusty zornig.
    »Aber wer? Warum?«, fragte Mick ungläubig.
    »Es ist schon einmal so etwas passiert«, sagte Ardjani. »Diebe haben einen Fels mit versteinerten Dinosaurierspuren in der Nähe von Broome ausgeschnitten. Aus einem Felsen, der zu den
songlines
der Gularabulu zählt. Dieser
gwion gwion-
Felsen gehört zu unseren Liedern.«
    »Für ein so altes Stück australischer Felskunst zahlen Sammler sehr hohe Preise«, sagte Alan leise. »Es ist vermutlich längst außer Landes.« Michael de Witt und Esme traten näher, um die klaffende Lücke zu begutachten.
    »Sie wussten, was sie taten, selbst wenn sie grob gearbeitet haben. Sie mussten nur eine wenige Millimeter dicke Platte ausschneiden«, sagte Alan. »Die Lücke sieht noch ganz frisch aus.«
    »Sie haben diese Keile eingeschlagen, um die Malerei herauszustemmen«, sagte de Witt. »Ich hoffe nur, sie konnten sie wenigstens in einem lösen, ohne dass sie in Stücke gesprungen ist. Und Sie haben recht, Alan, für gewöhnlich ist das das Werk von Leuten aus Übersee, zumindest war es in früheren Fällen so.«
    »Wie kann man nur so dreist sein? Wie kann man es nur wagen, in euer Land zu reisen und eure Kunst zu stehlen?«, fragte die alte Dame, in deren Augen sich Tränen sammelten. »In jedem anderen Teil der Welt würde man uns vor Leuten schützen, die unsere Geschichte rauben.«
    Ihre bitteren Worte machten die anderen sprachlos. Die Besucher standen reglos da, während Lilian und Jennifer zu Ardjani, Digger und Rusty traten, sich leise in ihrer Sprache unterhielten und gelegentlich auf die klaffende Wunde in der Felswand deuteten.
    Schließlich flüsterte Susan Veronica, die ihr Aufnahmegerät aus der Tasche zog, zu: »Wir wissen nicht mal, was drauf war … auf diesem Bild …«
    Ardjani blickte sie an, dann sagte er mit trauriger, schleppender Stimme: »Diese
gwion gwion-
Malerei stammte von den
wandjina,
der Emu-Tanz war darauf

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