Im Licht der roten Erde
möchtest du denn stattdessen tun?«
»Ich möchte der Juristerei keineswegs den Rücken kehren, aber ich spüre, wie sich etwas in mir verändert. Vielleicht könnte ich meine Fähigkeiten einsetzen, um Menschen wie den Barradja zu helfen …«
Seine Arme schlossen sich um sie. »Es ist ganz natürlich, dass du so empfindest, solange du hier bist, so weit entfernt von deinem normalen Leben. Offenbar haben die Barradja großen Eindruck auf dich gemacht. Du solltest erst einmal in die Stadt zurückkehren und dann erneut darüber nachdenken.«
Als sie sich an ihn schmiegte, kam ihm der Gedanke, dass es hier draußen womöglich doch ein Leben für jemanden wie Susan geben könnte, dass sie eine Nische für sich finden könnte. Die Vorstellung freute ihn und ließ tiefere Gefühle in ihm aufkeimen.
Er küsste sie auf den Scheitel und fragte sich, ob sie zu sehr von diesem ganzen Erlebnis geblendet war, doch insgeheim hoffte er, dass in ihr eine Zuneigung zu dem Land gewachsen war, das er schon immer geliebt hatte. Vielleicht, so dachte er, gäbe es doch eine Zukunft für ihre Beziehung. Andrew hielt sie umfangen, und sie fühlte sich getröstet von der Sicherheit seiner Arme.
Die Nähe ihres Körpers, der süße Duft ihrer Haut und ihres Haars weckten seine Begierde. Er begann, ihren Hals und ihre Lippen mit Küssen zu bedecken, und schloss seine Hände um ihre Brüste. Susan reagierte auf sein sanft drängendes Vorspiel, und schon wenige Minuten später lagen sie nackt und eng umschlungen unter der Decke des ausgebreiteten Daunenschlafsacks. Sie liebten sich flüsternd, ihre Körper wärmten einander, während draußen der Tau auf die Zelthaut tröpfelte und die Tiere des Buschs, die nachts unterwegs gewesen waren, in ihre Behausungen zurückkehrten, noch bevor der Tag anbrach.
Susan stand als Erste auf und ließ Andrew schlafen. Schwaden morgendlichen Frühnebels waberten zwischen den Zelten. Es war ein trübes Licht, das die Schwermut spiegelte, die über dem kleinen Lager hing, hervorgerufen durch die Erinnerungen an den gestrigen Tag und die endlose nächtliche Diskussion am herunterbrennenden Lagerfeuer über die gestohlene Felsmalerei.
Alistair hatte vom OKA aus Len Steele angerufen, den Diebstahl gemeldet und ihm mitgeteilt, dass er bereits die Polizei von Kununurra eingeschaltet habe. Len war schockiert, dass so etwas auf seinem Besitz passiert war, und er gestand Alistair, er habe keine Ahnung gehabt, dass die Felskunst derart wertvoll war, dass sie professionelle Kunstdiebe anzog.
Und obwohl die weißen Australier außer sich waren, so wussten sie doch, dass ihre Gefühle wenig zählten im Vergleich zu den Verheerungen, die der Diebstahl bei den Barradja angerichtet hatte.
Als sie eine dünne Rauchfahne vom Lager der Barradja aufsteigen sah, nahm Susan ihren Becher und einen Teebeutel und schlenderte zu ihnen hinüber in der Hoffnung, sie hätten schon den Kessel aufgesetzt.
Sie war erleichtert, als sie sah, dass die Barradja ihrer ganz normalen Morgenroutine nachgingen. Rusty, Digger und Barwon waren auf einer frühmorgendlichen Jagd gewesen – ein ausgeweideter, fetter Waran brutzelte über den glühenden Kohlen. Ardjani saß mit überkreuzten Beinen auf der anderen Seite des Feuers und blickte seine beiden Söhne an.
Rusty und Digger machten Platz für Susan, schütteten heißes Wasser in ihren Becher und boten ihr Kondensmilch aus der Dose an.
Ardjani hatte versucht, den Jungs den Verlust der
gwion gwion
zu erklären, die Auswirkungen, die dieser Diebstahl auf ihr Leben haben würde, genau wie auf das Leben ihrer Kinder und Enkelkinder. Die Jungs hörten ihm aufmerksam zu, dann saßen sie eine Weile schweigend da, bis Ardjani verkündete, es wäre an der Zeit, den morgendlichen Aufgaben nachzukommen.
Es war
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Zeit, Zeit für den Unterricht. Mit den Fingerknöcheln und dem rechten Handballen machte Ardjani geschickt Pfotenabdrücke in die weiche, rote Erde und erklärte, woher die Barradja-Männer wussten, wenn Tiere durch ihr Land gezogen waren: zerdrücktes Gras, kleine, umgedrehte Kieselsteine, Ausscheidungen verschiedener Größe und unterschiedlichen Geruchs. Ardjani stand auf, drückte seinen Fuß in den Staub und bat Luke und Joshua, es ihm gleichzutun. Dann zeigte er ihnen, wie sie die Vielzahl von Hinweisen entschlüsseln konnten, die in einem Fußabdruck enthalten waren.
Fasziniert sah Susan zu und musste an die Geschichten über die legendären Spurenleser der
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