Im Licht der roten Erde
werden.«
»Oh, es wird also ein Mädchen. Dann sollte sie sie Lily nennen, nicht wahr?« Susan lachte, doch sie beschloss, das Gespräch Veronica gegenüber nicht zu erwähnen. Nur für den Fall, dass nichts von alldem eintreten sollte.
Sie gingen noch etwa zwanzig Minuten lang weiter. »Was denkst du, wohin Rowena gegangen ist? Sie könnte überall sein«, fragte Susan.
Jennifer deutete auf den Boden. »Ich folge ihren Spuren. Sie ist nicht weit weg.«
Susan dachte an die Jungs und Ardjanis Unterweisung im Spurenlesen heute Morgen am Lagerfeuer. »Bringt man Mädchen auch das Spurenlesen bei?«
»Normalerweise nicht. Aber als ich jung war und wir alle miteinander gespielt haben, habe ich die Jungs beim Lesen von Tierfährten beobachtet. Uns Mädchen erklärt man Symbole und deren Bedeutung. Meine Mutter und meine Tanten haben Bilder in den Sand gemalt, um mich zu unterrichten. Und sie haben mir alles über Liebesrituale und Ähnliches beigebracht.«
»Klingt lustiger, als mit Puppen zu spielen!«
»Anders als die weißen Frauen sind wir nie zu dem Glauben erzogen worden, alles, was für eine Frau zählt, sei die Mutterschaft. Viele Aufgaben, die mit dem Großziehen von Kindern zusammenhängen, werden geteilt, so dass wir auch anderweitiges Wissen erwerben können – die Kunst oder spirituellen Fähigkeiten betreffend, nur um ein Beispiel zu nennen. Das ist wichtig für uns.«
»Sieh mal!«, unterbrach Susan.
In der Ferne erblickten sie Rowena. Sie saß zusammengekauert an einen großen Felsen gelehnt und war jetzt so dünn, dass sie aussah wie eine Figur aus einem Schattenspiel.
»Rowena!«, rief Susan.
Selbst aus der Distanz war zu erkennen, dass ihre Körpersprache Angst ausdrückte. Susan hatte den Eindruck, sogar wenn sie ihr direkt ins Ohr gebrüllt hätte, hätte Rowena ihre Anwesenheit nicht wahrgenommen.
Jennifer drückte den Medizinbeutel an ihre Seite und lief los, Susan folgte ihr. Rowena rappelte sich schwankend hoch und blickte sich flüchtig um, dann schlug sie die entgegengesetzte Richtung ein. Susan wollte ihr schon hinterherrufen, als Jennifer vor ihr abrupt stehen blieb und sie mit dem Arm zum Anhalten brachte. »Was ist? Was ist los?«, fragte Susan mit gesenkter Stimme, da sie die Warnung in Jennifers Geste erkannte.
Jennifer deutete mit der Hand nach vorn. Aus dem Nichts erschien dort eine große rote Staubsäule.
»Willy willy.«
Der Wirbelsturm war direkt hinter Rowena und bewegte sich mit zunehmender Geschwindigkeit auf sie zu.
»Rowena! Lauf!«, schrie Jennifer. Susan stand wie gelähmt da und starrte auf die sich rasend schnell drehende Spirale.
Rowena schien verwirrt, sie taumelte, barg das Gesicht in den Händen und stürzte orientierungslos davon.
Hilflos beobachteten die beiden jungen Frauen, wie der Wirbelsturm, der etwa zwanzig Meter in den Himmel hinauf reichte, auf Rowena prallte und seine körnige, rotierende Hülle um sie schloss. Für ein paar Sekunden war sie in der Staubwolke verschwunden, doch so schnell, wie sie gekommen war, war sie auch wieder verschwunden.
»Was zum Teufel … was geht hier vor?«
»Es ist eine Warnung … sie ist gewarnt worden«, sagte Jennifer keuchend.
Als der
willy willy
in der Ferne verschwand, stürmten Jennifer und Susan zu Rowena.
Sie kauerte auf Händen und Knien am Boden, schluchzend, die Finger in die rote Erde gekrallt. Jennifer kniete sich neben sie. »Schon gut, Rowena, der Sturm ist verschwunden.« Jennifer murmelte beruhigende Worte und half Rowena, sich aufzusetzen. Die Amerikanerin schnappte nach Luft und versuchte, die Fassung wiederzuerlangen.
Susan war schockiert über den wilden Ausdruck in ihren Augen. »Das war ja was … ich hatte schon von
willy willys
gehört …« Sie verstummte, als sie sah, wie sich Rowena an Jennifer klammerte.
»Ich werde bestraft, nicht wahr? Das ist alles meine Schuld. Was wird mit mir passieren?«
»Hier, Rowena, trink das.« Jennifer reichte ihr eine kleine Flasche mit Wasser. »Komm, wir bringen dich zurück. Ardjani wartet darauf, mit dir zu reden.«
Rowena verschluckte sich beim Trinken und prustete. »Nein, nein. Er muss es nicht wissen … sonst bekomme ich Schwierigkeiten.«
»Rowena, wovon reden Sie?«, fragte Susan. »Sie haben ihm gestern Abend bereits davon erzählt, von den Leuten, die Ihrer Meinung nach für den Diebstahl der Felskunst verantwortlich sind. Gibt es noch etwas anderes, was Ihnen Sorgen bereitet?«
Die Amerikanerin funkelte Susan an,
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