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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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hast du gelernt, mit einem Gewehr umzugehen?«, erkundigte sich Billy.
    »Bei der Armee. Daher hab ich auch meinen Namen: Digger – Soldat.«
    »Du hast dich verpflichtet?«, fragte Alistair.
    »Aber sicher! Viele von uns haben sich eingeschrieben, sich ausbilden lassen und sind nach Neuguinea gegangen. Kein guter Ort.« Er grinste. »Hier ist es besser. Aber wir haben den Krieg gewonnen, nicht?«
     
    Als die Männer zum Pritschenwagen hinübergingen, sah Susan Jennifer Richtung Fluss aufbrechen.
    »Wieso hast du deinen
dilly bag
dabei?«, rief sie ihr hinterher. »Gehst du sammeln?«
    Jennifer rückte den Riemen des Bastbeutels auf ihrer Schulter zurecht. »Nein. Ich mache mir Sorgen um Rowena. Sie ist nicht von ihrem Spaziergang zurückgekehrt. Ich gehe sie suchen. Das ist mein Medizinbeutel. Nur für alle Fälle.«
    »Darf ich dich begleiten?«
    Die beiden jungen Frauen durchstreiften den Busch. Sie fühlten sich wohl miteinander, als wären sie seit Jahren Freundinnen, bis Susan sagte: »Ich werde das vermissen … in den Busch hinauszugehen ist etwas so Friedliches. Einsam, ja, aber man fühlt sich nicht verlassen. Ich dachte, ich würde Angst haben, so allein hier mitten im Nichts, aber ich habe mich niemals so sicher gefühlt wie hier.«
    Jennifer lachte leise. »Ich mag die Stadt nicht. Darwin geht noch, aber Perth und Adelaide sind so groß und geschäftig, da fühle ich mich fremd.«
    »Vermisst du deinen Beruf nicht? Die Krankenpflege? Die Medizin? Wirst du zurückkehren und wieder in einem großen Krankenhaus arbeiten?«
    Jennifer blickte sie überrascht an. »Nein, ganz bestimmt nicht. Das hier ist jetzt mein Aufgabe: unsere Medizin, unsere Heilpraktiken zu erlernen. Mit meinen Kenntnissen der weißen Medizin, kombiniert mit den alten Methoden, habe ich das Gefühl, meinen Leuten helfen zu können. Es ist großartig, dass wir die Fliegenden Ärzte zur Unterstützung haben, doch solange wir nicht unsere eigenen Leute ausbilden, werden wir die gesundheitlichen Probleme der Aborigines nicht lösen. Und die Probleme sind groß. Du weißt, wie schlimm es damit steht. Unsere Lebenserwartung ist nur halb so hoch wie die der Weißen, zu viele unserer Babys sterben, und Krankheiten wie Diabetes und grüner Star geraten in manchen Gebieten außer Kontrolle.«
    Susan blickte sie verschmitzt an. »Hast du jemals daran gedacht, in die Politik zu gehen, Jennifer?«
    Die Aborigine-Frau lächelte schief. »Das hier ist Politik. Ich muss meinen Leuten behutsam Vorstellungen nahebringen, die außerhalb unserer Welt liegen – Hygienegepflogenheiten zum Beispiel – und nicht in Widerspruch zum Gesetz stehen. Vor allem darf ich damit nicht den alten Männern auf die Zehen treten. Ich spreche mit den alten Frauen, und sie wenden sich bei passender Gelegenheit an die Ältesten. Dann bringen die Ältesten das Thema zur Sprache und erörtern es – auf diese Weise verlieren sie nicht ihr Gesicht.« Ihr Lächeln wurde jetzt breiter. »Aborigine-Frauen üben großen Einfluss aus, tun das aber sehr taktvoll.«
    Sie gingen noch ein paar Minuten weiter, dann fragte Susan: »Meine Freundin Veronica … sie hat mir vom Kindgeisterbecken erzählt. Wird sie … denkst du, sie wird schwanger werden? Ich … ich habe nur den Eindruck, dass sie so viel Hoffnung in die Sache setzt, dass ich mir Sorgen um sie mache. Sie ist so oft enttäuscht worden. Und dann hatte sie gestern Nacht diesen Traum …«
    Jennifer blieb stehen und blickte Susan an. »Was für einen Traum?«
    »Vielleicht sollte nicht ich, sondern sie dir davon erzählen. Auf jeden Fall hat sie geträumt, dass sie ertrinkt. Sie sinkt in den Teich mit den Wasserlilien hinab, und die ganzen Lilien blühen unter Wasser. Der Traum beunruhigt sie.«
    Jennifer berührte Susans Arm. »Nein, das ist wunderbar. Das ist der Lilientraum, er bedeutet, dass das Totem in ihr Ei eingezogen ist, und wenn sie zurückkehrt, wird ihr ihr Mann den Kindgeist aus dem Wasserlilienbecken geben. Der Kindgeist wartet auf sie.«
    Susan lag es auf der Zunge, dass das nicht unbedingt dem modernen medizinischen Wissensstand entsprach, aber sie hielt sich zurück. »Dann ist das Totem des Babys also eine Wasserlilie?«
    »Ja. Sie wird hierher zurückkehren.« Jennifer klatschte in die Hände. »In einem Jahr werden Veronica und du, alle aus der Gruppe, zurückkehren, und wir werden eine Rauchzeremonie für Veronicas kleine Tochter durchführen. Ja, das wird eine wundervolle Zeremonie

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