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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Furcht, Zorn und Misstrauen im Blick.
    Jennifer half Rowena hoch. »Komm mit zurück. Es ist das Beste. Vielleicht ist jetzt ja alles vorbei. Die Geister sind verschwunden.«
    Das schien Rowena zu beruhigen. Susan schwieg, während Jennifer auf dem Rückweg zum Lager weiterhin sanft auf die verwirrte Frau einredete.
    Sie kamen nur langsam voran. Es waren etwa zwei Stunden vergangen, seit sie das Lager verlassen hatten. Nach Susans Einschätzung musste es bald vier Uhr nachmittags sein.
     
    Ardjani saß auf seinem Lieblingsstuhl am Barradja-Lagerfeuer, das Kinn auf der Brust, die Beine ausgestreckt, tief in Gedanken versunken. Als Rowena eintraf, blickte er auf.
    Sie ist in einer sehr schlechten Verfassung, dachte er. Sie sah aus wie eine Stabheuschrecke, nichts als kantige Knochen, dürre Arme und Beine und hervortretende Augen.
    Sie nahm auf dem Stuhl neben dem alten Mann Platz und starrte in das knackende Feuer. Ardjani warf einen kleinen Zweig mit Blättern auf die Flammen, die einen beißenden Geruch verströmten.
    Rowena blickte zu Boden, ihre Worte überschlugen sich. »Ich habe schlechte Träume, und ich weiß, dass du der Einzige bist, der das wieder in Ordnung bringen kann.« Sie zögerte, dann wandte sie sich ihm direkt zu. »Ardjani, ich habe schreckliche Dinge getan. Ich weiß, dass ich dafür bestraft werde … und ich brauche deine Hilfe.« Sie streckte die Hand aus, um ihn am Arm zu berühren, doch er erhob sich, gebieterisch die Arme über der nackten Brust verschränkt, über die sich die dicken Narben seiner Initiation zogen. »Ganz ruhig.« Er wartete einen Augenblick und starrte auf sie herab, dann sagte er: »Erzähl mir deine Geschichte.«
    Mit hoher, angestrengter Stimme fing sie an zu sprechen. »Der Deutsche, von dem ich dir gestern Abend erzählt habe … ich bin ihm im Haus meines Vaters begegnet, er wollte seine Kunstsammlung erweitern und hat mich gebeten, eine Reisegruppe hierher ins Outback zu bringen. Zwei seiner Mitarbeiter wollten sich die Felsmalereien ansehen und Bilder von hiesigen Aborigine-Künstlern kaufen, aber ich versichere dir … ich schwöre, Ardjani, ich habe nicht geahnt, dass sie den Felsen stehlen würden. Ich dachte, seine Leute wollten in Bungarra Gemälde erwerben. Ich habe nicht gewusst …«
    »Du kennst diesen Mann? Bist du sicher, dass er dahintersteckt?« Ardjanis Augen waren hart und glänzten wie Glas. »Vielleicht bekommen wir die Felsplatte zurück … Wenn die Polizei eintrifft, sagst du ihr, wie er heißt und wo er wohnt.«
    »Ardjani, dieser Mann lebt in einer Festung, er verbirgt die Stücke, die er sammelt. Er ist gerissen. Die Polizei … keiner wird die
gwion gwion
finden. Niemand kann dorthin vordringen. Wie du schon sagtest: nicht mal die Geister der
wandjina.
«
    Ardjanis Gesichtsausdruck blieb unverändert.
    »Was kann ich tun, Ardjani? Ich werde bestraft, und ich weiß nicht, was sie mit mir vorhaben. Ich weiß, dass ich dafür verantwortlich bin, weil ich die Leute hergebracht habe, aber …«
    »Der Mann, in dessen Besitz die
gwion gwion-
Platte nun ist, wird dafür sterben. Die Geister werden ihn finden. Doch sie können unsere Felsmalerei nicht zurückbringen. Du hast das Loch in dem Felsen gesehen – es ist wie ein Loch in unseren Herzen.« Er faltete die Arme und betrachtete sie. »Was sonst noch?«
    Sie zögerte. Ardjani ließ nicht von ihr ab, sein Blick durchbohrte sie. »Da ist noch etwas in deinen Augen. Erzähl es mir.«
    Sie holte bebend Luft, schloss einen Augenblick die Lider und sprach mit schneller, gesenkter Stimme. »Als ich das erste Mal hierhergekommen bin, um dich zu treffen, bin ich eines Tages durch die Gegend gefahren und ein wenig spazieren gegangen. Ich habe die
wandjina
auf den Felswänden gefunden, Bilder wie von Außerirdischen. Und dann habe ich einen Schädel gesehen. Er war sehr alt. Ich dachte, es würde keinem etwas ausmachen, wenn ich ihn mitnehme, schließlich war ja ewig niemand mehr dort gewesen. Der Ort wurde nicht mehr als heilige Stätte genutzt, weil deine Leute nicht mehr dorthin gehen durften.« Rowena starrte ins Feuer, unfähig, Ardjani ins Gesicht zu blicken.
    Der alte Mann holte Luft und schüttelte unmerklich den Kopf, als würde ihm eine zu schnelle Bewegung starken körperlichen Schmerz bereiten. »Rowena, wo ist der Schädel jetzt?«
    »Im Haus meines Vaters. In Los Angeles. Ich kann ihn dir zurückschicken lassen, Ardjani. Ich werde gleich heute anrufen und ihn per Luftkurier

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