Im Licht der roten Erde
Dann trat Alistair MacKenzie an sie heran. »Könnten wir uns kurz beruflich unterhalten, Susan?«
»Oje, bekomme ich jetzt eine Lektion erteilt von meinem Herrn und Meister?« Sie grinste entwaffnend und zwinkerte Andrew zu, während sie dem gutaussehenden Kronanwalt ins Wohnzimmer folgte. Er stellte ein Glas und seinen Kaffee auf ein Beistelltischchen, und sie nahm in einem Chintz-Sessel Platz. »Darf ich Ihnen etwas bringen? Ich trinke einen Brandy.«
Susan schüttelte den Kopf. »Vielleicht nehme ich später ein Glas Wein … oder etwas Stärkeres. Kommt ganz darauf an, was Sie mir zu sagen haben.«
Er ließ sich zu einem kleinen Lächeln verleiten. »Entspannen Sie sich. Das ist ein gesellschaftlicher Anlass. Ich habe mit Veronica gesprochen, und sie hat mir von Ihrer Arbeit erzählt.«
»Und was hatte meine gute Freundin zu berichten?«, hakte Susan nach.
»Dass Sie intelligent, gründlich, ambitioniert, doch vollkommen unkritisch sind, was Ihren Männergeschmack anbelangt. Sie hat vorgeschlagen, dass ich Sie meinem älteren Sohn vorstelle.«
Susan zog die Augenbrauen hoch. »Oh, danke, Veronica«, sagte sie mit einem Blick an die Decke.
»Ich glaube, Sie zählen genau zu jenem Schlag von Anwälten, die einen Fall allein aus Pflichtgefühl oder persönlicher Überzeugung annehmen, auch wenn sie kaum eine Chance haben zu gewinnen.«
»Ich bin nicht immer so forsch.«
»Wären Sie bereit, sich mit einem Fall zu befassen, der meine Aufmerksamkeit erregt hat?«
»Um was für eine Art von Fall handelt es sich, und warum geben Sie ihn weiter? Vertrackt? Peanuts? Zu leicht? Zu schwer?«
»Lassen Sie mich ausreden, fachkundige Kollegin. Der Angeklagte ist ein Freund meiner Freundin Beth Van Horton. Ich habe versprochen, einen Anwalt für ihn zu empfehlen; er ist in der Lage, für eine qualifizierte Vertretung seiner Interessen aufzukommen. Der Mann ist kultiviert, intelligent und ein ganz schöner Charmeur.«
»Was wird ihm zur Last gelegt?«
»Vorsätzliches unbefugtes Eindringen. Meines Wissens ist er ziemlich bekannt.«
»Sehr charmant.«
»Es gibt verschiedene Faktoren, die die Sache wirklich interessant machen. Ich denke, Sie könnten den Fall für reizvoll erachten.« Er streckte die Beine aus und kreuzte sie an den Fußknöcheln. Seidensocken und Ledermokassins von Bally kamen zum Vorschein. »Zugegebenermaßen habe ich mir das Ganze erst vor etwa einer Stunde überlegt. Als ich Sie kennengelernt habe.«
»Das ist einer dieser Abende …«
»Bitte?«
Sie warf dem älteren Mann einen offenen, ehrlichen Blick zu. »Als ich heute Abend unter Veronicas Japanischer Wollmispel stand, habe ich eine Entscheidung gefällt. Ich habe beschlossen, Urlaub zu nehmen und nach Westen zu fahren. In die Kimberley.«
»Einfach so?«
Sie schnippte mit den Fingern. »Genau. Einfach so.«
»Und es hat nichts mit dem gutaussehenden Rinderzüchter und Ihrem Gespräch beim Salat zu tun?«
»Nicht wirklich. Der Aufenthalt bei ihm ist lediglich Mittel zum Zweck – eine Art Boxenstopp sozusagen. Ich habe keine Ahnung, warum ich diesen plötzlichen Drang verspüre, dorthin zu reisen.« Es gelang ihr nicht, ein kleines Grinsen zu unterdrücken. »Erzählen Sie mir mehr über meinen möglichen Klienten.«
»Ich kenne ihn nicht. Aber ich vertraue meinem Instinkt und Beth’ Urteil, wenngleich ich sie auch noch nicht allzu lange kenne.«
Etwas an der Art und Weise, wie dieser konservative Mann auf seinen Instinkt verwies, weckte ihre Aufmerksamkeit. »Setzen Sie mich ein wenig ins Bild. Wer ist Beth, da sie doch offenbar eine wichtige Vermittlerin in dieser Angelegenheit darstellt?«
»Beth’ Geschichte ist lang und faszinierend. Sie berät von Berufs wegen die Barradja aus der Kimberley, was sich aus ihrer Arbeit zur interkulturellen Sensibilisierung und ihrer Verbundenheit mit diesen Leuten ergeben hat.«
»Und mit wem macht sie diese kulturübergreifende Arbeit?«
»Mitte bis Ende der Achtziger hat sie Kurse bei der Polizei, den Minengesellschaften und an Universitäten gegeben. Sie ist Beraterin und Beistand, aber sie ist keine Bürokratin. Sie ist eine besondere Frau, eine Weiße mit dem Geist und der Seele einer Aborigine. Deshalb vertrauen ihr die Barradja und respektieren sie. Sie ist eine von ihnen.«
»Wo sind Sie ihr begegnet?«
Er grinste. »Auf einer Dinnerparty. Von dem Moment an hat sich mein Leben verändert. Beth hat eine Mission, und ich bin da mit hineingeraten, wenngleich völlig
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