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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Minenarbeiter die letzten Bierdosen leerten. Einer der Männer, zornig und betrunken, begann, damit auf die Wellblechhütte zu zielen, in der Barwon eingesperrt war. »Nimm das, du Abo-Bastard. Keiner von deinen weißen Kumpanen kann dich da wieder rausholen. Du bist erledigt, du verdammtes Riesenarschloch!«
    Die beiden anderen fielen mit ein, feuerten ihn an und brüllten Obszönitäten. Sie bombardierten die Hütte mit Dosen und Flaschen. »Der arme verdammte Jackson. Er war zwar ein hitziger Kerl, aber das ist doch kein Grund, ihn abzuknallen!«
    »Da sieht man’s wieder: Wenn schwarzes Blut in ihnen fließt, werden sie gewalttätig. Man kann keinem von denen trauen!«
    »Angenehme Träume, du Wichser«, schrie der Mann neben ihm und schleuderte eine weitere Bierdose gegen die Wellblechwand.
    »Ich weiß, was den Bastard wieder auf Trab bringt.« Einer der Männer ging zu Perkins’ Transporter und kehrte mit einem Gewehr zurück. Die anderen kicherten, als er den Hahn spannte und durchs Dach feuerte. Die Kugel zerriss das Wellblech, das Geräusch hallte in der stillen Nacht wider und wurde von der nahe gelegenen Hügelkette zurückgeworfen.
    »Herrgott, Kumpel!«, rief Perkins aus. »Nun mach mal halblang. Du sitzt morgen mit im Polizeiflugzeug, wenn du ihn abknallst.« Er nahm den Mann beim Arm. »Hau dich hin, Mann. Morgen wird ein anstrengender Tag.«
    Sie schwankten in ihre Betten. Perkins, der in die Dunkelheit trat, um sich zu erleichtern, fluchte, als er dabei über Jacksons Leichnam stolperte.
     
    Während des Sperrfeuers aus Pöbeleien und geschleuderten Wurfgeschossen saß Barwon reglos da. Die Stirn auf den Knien, die Arme über dem Kopf verschränkt, versuchte er, den Lärm, den Hass in den Stimmen der Männer auszublenden. Womit hatte er das verdient?
    Er hatte Hunger, doch er ignorierte ihn, während der Schmerz in seinem Kopf heftiger wurde. Ein Schmerz, hervorgerufen durch eine Million qualvoller Gedanken.
    Eines nach dem anderen sah er die Gesichter an sich vorbeiziehen, die sein Leben bestimmt hatten, sah seine Mutter mit ihren sanften Augen, die Brüder aus der Mission, Shirley mit ihrer Herzlichkeit und dem üppigen Körper. Und dann war da noch Lisa mit ihrem vertrauensvollen Blick und ihrer kindlichen Art. Die Schwangerschaft hatte ihm Angst eingeflößt. Wer war er, dass er sich um ein Kind kümmern konnte? Er hatte ihr erzählt, dass man ihn seiner Mutter weggenommen hatte, nachdem sein Vater bei einem Minenunfall ums Leben gekommen war, von seinem dringenden Bedürfnis, in die Kimberley zurückzukehren und nach seinen Wurzeln zu suchen. Sie hatte versucht, ihn zu verstehen, aber er hatte die Tränen in ihren Augen schimmern sehen.
    Als er gegangen war, war es leichter gewesen, die Gedanken an sie beiseitezuschieben. Seine Anrufe waren immer weniger, kürzer, kälter geworden. Er wusste, dass er sie verletzte. Er hatte versprochen, zurückzukehren, wenn das Baby zur Welt kam, aber er hatte nicht mal angerufen, um herauszufinden, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Dann hatte er den Bericht in den Nachrichten gesehen, und seine Welt war zusammengebrochen.
    Er hätte schon früher mit jemandem sprechen sollen. Ardjanis Worte – »Jeder Mann trägt die Verantwortung für seine Saat« – kamen ihm in den Sinn. Er musste außerdem die Verantwortung für den Tod der Mutter seines Kindes übernehmen und jetzt noch dazu die Verantwortung für den Tod eines Mannes.
    Susan hatte etwas von Selbstverteidigung gesagt, aber er wusste, ganz egal, was zum Überlaufen seiner Gefühle geführt hatte, er würde dafür bezahlen müssen, einen Menschen getötet zu haben. Einen Mann mit einer Familie. Er begann zu schluchzen.
     
    In der Landschaft der Seele und der Erinnerung, deren Topographie im Herzen abgebildet ist, im Flüstern und in den Bildern eines Traums erscheint mitunter ein weiser Besucher. Der Besucher trägt ein Wissen mit sich, welches das schattenhafte Land in strahlendes Licht taucht. Es gibt nicht länger dunkle Ecken, unsichtbare Horizonte, gefährliche Gipfel oder gefürchtete Täler. Es ist ein Wissen, das Klarheit und Frieden verleiht, das Antworten gibt und die Pfade enthüllt, die zu ruhigen Gewässern führen. Die wandjina können nicht durch Wände und Gitter an enge düstere Orte vordringen, doch die Lieder des Songmasters können es.
    Und so lauschte Barwon in den engen Grenzen der kleinen, finsteren Wellblechhütte, in der er zusammengerollt auf dem Fußboden lag, auf

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