Im Licht der roten Erde
fragte er.
»Ja. Haben schon verdammt viele Löcher gemacht.«
»Es wird langsam spät, deshalb können wir nicht so lange bleiben, aber wäre es möglich, dass ich mich ein wenig umsehe? Wie tief bohren Sie? Es ist geplant, ziemlich dicht an einige meiner Grundwasserquellen ranzugehen. Ich würde gern mal einen Blick auf den Übersichtsplan werfen.«
Die drei ließen Barwon zurück und machten sich auf in Richtung Lager, wo die Minenarbeiter vor dem Abendessen ein paar Bierchen genossen.
Die Männer waren zunächst misstrauisch, doch sie wurden rasch mit dem lässigen Pastoralisten und seiner »Ehefrau« warm. Sie freuten sich, erklären zu können, wie es in einem Explorationslager zuging, wie das Gelände für den Minenbau auf seine Tauglichkeit hin überprüft und erschlossen wurde, und waren neugierig zu erfahren, welche Gesellschaft auf Andrews Land tätig werden wollte. Während sie den etwa einen Kilometer langen Weg zum gegenwärtigen Bohrplatz zurücklegten, bombardierten sie Andrew mit Fragen.
Barwon saß bei offener Tür im Wagen, den Kopf an den Sitz gelehnt, die Augen geschlossen. Das ferne Brummen eines Generators und verschiedener Fahrzeuge schwand langsam aus seinem Bewusstsein. Vor seinem inneren Auge erschienen Bilder von Lisa, ihr Lachen, ihre Fröhlichkeit, ihre Liebe zur Kunst, wie sie ihn hatte zusehen lassen, als sie die kleine Eule auf das Tuch druckte. Es war nur eine kurze Affäre gewesen, dann war er wieder nach Sydney geflogen. Er hatte sie keinesfalls innig geliebt, aber er hatte ein Kind mit ihr gezeugt, und die Trauer und das Bedauern über sein Handeln waren auf ewig in sein Herz eingebrannt. Wieder dachte er – wie schon so viele Male zuvor – an die Fernsehnachrichten, in denen gezeigt worden war, wie die Polizei die zugedeckten Überreste eines Leichnams aus dem State Park beförderte. Und er versuchte, sich sein Baby vorzustellen, wie es aussah und ob es überhaupt jemanden wie ihn zum Vater haben wollte. Allein der Gedanke an ein Kind, für das er verantwortlich war, nagte an ihm. Wie konnte er damit zurechtkommen? Wie konnte er seine Tochter unterstützen? Wie konnte er sie großziehen, wenn er nicht einmal wusste, wer er war? Der tief sitzende Schmerz, den er sein ganzes Leben lang verspürt hatte, war nun permanent präsent und peinigte ihn bis ins Mark. Er verfluchte die Behörden und die Aboriginal Protection Boards – Organisationen, die über das Leben der Aborigines bestimmten, indem sie das Recht hatten, über deren Aufenthaltsort, Arbeit und sogar deren Privatleben zu verfügen. Auch die sogenannten
half-casts,
Mischlinge von Schwarzen und Weißen, unterstanden ihren Gesetzen, nach denen man die Kinder von ihren Eltern trennen und in Heimen, bei weißen Familien oder in kirchlichen Missionen unterbringen konnte. Ja, die Missionen, die Kirche, die ihn seiner Familie entrissen hatte, die Brüder, die ihn körperlich und seelisch missbraucht hatten. Momentaufnahmen seiner Kindheit schossen ihm ins Gedächtnis, Bilder, die ihn in den Wahnsinn trieben, aber dennoch nicht deutlich genug waren, um Rückschlüsse auf seine Familie zuzulassen. Die Enttäuschung über sein eigenes Unvermögen nagte an ihm.
»Aufwachen, Traumtänzer.« Etwas Spitzes bohrte sich in Barwons Rippen, und er wurde jäh zurück in die Realität gerissen. Eine schreckliche Realität, in der Giles Jackson vom Wagen zurücktrat und das Gewehr direkt auf Barwon gerichtet hielt. Das Gesicht des Farmers war erhitzt und fleckig, die Augen rotgeränderte Schlitze, sein Mund dünn wie ein Strich. »Verpiss dich, du Bastard. Ich habe dir gesagt, du sollst dich hier nicht mehr blicken lassen, dachte, du hättest deine Lektion gelernt. Was bist du nur für ein dickköpfiger schwarzer Scheißkerl, dass du’s einfach nicht kapierst!«
Barwon stieg aus dem Wagen und lehnte sich lässig an den Kotflügel. »Ich warte auf Andrew Frazer, geh und leg dich mit ihm an. Er ist mit den Minenarbeitern unterwegs. Ich habe ihn bloß hierhergefahren. Außerdem gehört dir die Mine gar nicht, Jackson, das hier ist ein
pastoral lease,
da hast du gar nichts zu bestimmen. Also zieh Leine.«
Jackson traf beinahe der Schlag. »Nun werd mal nicht unverschämt, du schwarzes Stück Scheiße«, tobte er. »Ich hab die Nase voll von euch und euren verdammten Ansprüchen auf Land und Gelder, von dem ganzen Ärger, den ihr macht, wenn ihr eure dämlichen Wohltäter hier anschleppt! Zur Hölle mit euch!« Er schwang hysterisch
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