Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
Gemeinschaften vorzubeugen.
    »Vor kurzem hat es einen solchen Fall gegeben, aber niemand spricht darüber«, sagte Paul Wangerri. »Ein junges Aborigine-Mädchen war einem alten Mann von reinem Blut versprochen worden. Die Ältesten waren der Ansicht, es gäbe zu viele gemischte Ehen, die Farbe würde aussterben. Aber das Mädchen hatte einen jungen Freund und wollte nicht bei dem alten Mann bleiben. Also liefen die beiden weg. Die
law men
stellten ihnen nach, die Strafe fiel ein bisschen zu hart aus, und die beiden wurden aus Versehen umgebracht. Sie sind einfach verschwunden. Eine weitere Akte in der Abteilung für Vermisste Personen.«
    »Es ist beängstigend, wenn die
law men
auf den Plan treten«, stimmte Spinoza zu. »Ich habe sie einmal durch Halls Creek gehen sehen. Die jungen Leute, die wussten, dass eine Strafe auf sie zukommt, flüchteten oder versuchten, sich zu verstecken. Die alten Männer haben sie trotzdem drangekriegt.«
    »Tja, auch eine Art, mit Verbrechen umzugehen«, sagte Buchan. Die Männer verstummten, als sie sahen, wie sich der Himmel verfärbte und das Land zum Leben erwachte.
     
    Unten zwischen den Felsen gingen vier Männer langsam nebeneinanderher durch Gruppen von Palmen, Spinifex-Gras und vorbei an Becken voller Wasserlilien. Die Köpfe gesenkt, folgten sie den mäandrischen Spuren einer Frau. Nur gelegentlich gaben sie eine Bemerkung von sich, deuteten auf die verräterischen Zeichen auf Rowenas Weg. Hunter, noch unerfahren im Spurenlesen, wusste es zu schätzen, dass Ardjani ihm die offensichtlichen Zeugnisse ihrer Wanderung zeigte, und sah genau hin.
    »Sie ist nicht weit weg«, sagte Rusty.
    Digger deutete nach Nordwesten. »Schätze, sie ist bei den Felsen. Da drüben.«
    Sie kraxelten eine Weile zwischen den hohen Brocken herum, wo Spuren nur schwer zu finden waren, doch bald sah sich Ardjani durch fast unsichtbare Hinweise auf dem Gestein bestätigt, dass sie auf dem richtigen Weg waren. »Sie ist dorthinauf geklettert.«
    Die drei Barradja tauschten wissende Blicke aus, und alle beschlich dasselbe Gefühl: tiefes Unbehagen und die Besorgnis, dass Geister hier entlanggekommen waren.
     
    Nach wenigen Augenblicken hatten sie sie gefunden. Sie lag mit dem Gesicht nach unten zwischen Felsen eingekeilt am Fuß einer hohen Felsnase, ein Arm und ein Bein ragten hervor wie die Glieder einer Stabheuschrecke. Ardjani kniete sich hin. Er wusste, was er vorfinden würde.
    Die Männer redeten in ihrer Sprache miteinander. »Sie ist seit gestern tot.«
    »Von dem Felsen da gefallen?«
    »Ja.«
    Hunter unterbrach sie zutiefst schockiert. »Was sagt ihr da? Wieso ist sie runtergestürzt?«
    Rusty deutete auf die rote Stelle an ihrem Bein und die beiden kleinen Punkte. »Schlangenbiss.«
    Sie drehten sie um, und Hunter kniete sich neben die Amerikanerin, die eine kratzbürstige, nervöse, unberechenbare Chefin gewesen war. Doch hinter ihrer unangenehm forschen, energischen Persönlichkeit hatte sich eine verwirrte, unglückliche, kranke Frau verborgen. Sie hatte ihn hierhergebracht, indem sie ihn als ihren Führer angeheuert hatte, und irgendwie hatte Hunter das Gefühl, versagt zu haben. Ihr Tod hätte womöglich vermieden werden können, hätte er sich durchgesetzt und besser auf sie aufgepasst.
    Er starrte in ihr Gesicht, und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass sie zum ersten Mal, seit er ihr begegnet war, friedlich aussah, als würde sie hierhergehören, zwischen diese roten Felsen unter dem klaren Himmel.
    Sie legten sie auf die flache Erde und schnitten Rinde von einem Baum, die sie als Bahre benutzten. Dann machten sie sich langsam auf den Rückweg.
    Die Zeit in Australien hatte Rowenas Haut gebräunt und ausgetrocknet; ihre Lebenssäfte waren versiegt, geblieben war eine Hülle, dünn wie Reispapier. Die nervöse Energie, die Rowena angetrieben hatte, war einer gelassenen, besinnlichen Ruhe gewichen.
    Ihr Tod würde als Unfall durchgehen. Doch Ardjani wusste, dass sie ihre Strafe erhalten hatte, nicht von einer der vielen gefährlichen Schlangen aus der Gegend, sondern aus den Fängen der Regenbogenschlange, der Urgottheit jeglichen Lebens, der Hüterin des Landes, das sie mit ihren Windungen umschließt, die sich von der Schöpfung bis zur Gegenwart erstrecken.
     
    Veronica und Lilian entdeckten die Männer, die mit der Rindentrage zurückkehrten, als Erste.
    »Mein Gott, sie haben Rowena gefunden. Sie muss verletzt sein!« Veronica wollte ihnen entgegenstürzen, aber Lilian legte

Weitere Kostenlose Bücher