Im Licht der roten Erde
dreinblickende Männer, die nicht gerade begeistert wirkten, hier zu sein.
Norma schenkte den zwei Teenagern ein breites Lächeln. »Tom und Sean Beckridge? Shareens Söhne, hab ich recht? Springt in den Wagen. Okay, Hunter.«
»Gebongt. He, Jungs, schmeißt die Rucksäcke hier rein!«
Shareens Söhne wirkten ein wenig erleichtert, als sie jemanden sahen, der noch relativ jung war und so sprach wie sie, selbst wenn dieser Jemand ein Aborigine war.
Hunter gab Gas und fuhr die Auffahrt hinauf. Norma wandte sich an die fünf Personen im Van. »Die erste Nacht verbringt ihr hier im Haus, zusammen mit sechs anderen Gästen. Morgen früh nach dem Frühstück kommen Beth Van Horton und Daniel Ardjani zu euch und geben euch eine kleine Einführung, dann bringen sie euch zu einer heiligen Stätte, wo eine Willkommenszeremonie abgehalten wird. Anschließend fährt Hunter euch rüber zum Lager der Barradja in Marrenyikka.« Sie lächelte Hunter an. »Ein paar Leute sind bereits dort. Nämlich die, die geholfen haben, die Buschuniversität zu gründen. Sie feiern dort ihr Wiedersehen.«
Es war eine echte Wiedersehensfeier. Vertraute Gesichter strahlten am Lagerfeuer, während Klein-Lily, die Tochter von Veronica und Boris, von Arm zu Arm und von Schoß zu Schoß gereicht wurde. Lily war ein ernstes Baby, das die Welt um sich herum mit dem vielsagenden Gesichtsausdruck und der tiefen Weisheit eines drei Monate alten Kindes betrachtete. Boris und Rusty waren in ein Gespräch über die Zubereitung von Kängurufleisch vertieft. Lilian hielt ihren Enkel, während ihre Tochter Jennifer Djoobalong knuddelte, auch bekannt als Sunny, Barwons Tochter mit den lachenden Augen. Sie unternahm mittlerweile erste Gehversuche und fing an, einzelne Worte zu sprechen. Beth hatte sie zu ihrem Stamm gebracht, der sie nach einem tränenreichen Abschied von Joyce Guwarri und den Mitarbeitern der Fürsorgestelle in Victoria in seine Gemeinschaft aufgenommen und ihr eine Familie gegeben hatte.
Am folgenden Tag würde sie an der offiziellen Rauchzeremonie für Lily teilnehmen und dabei genau wie Veronicas Tochter in das
wunggud-
Becken getaucht werden, aus dem deren Kindgeist stammte.
Am Lagerfeuer gab es viel zu erzählen. Alan Carmichael berichtete ihnen von der Ausstellung der Bungarra-Kooperative, die zunächst in Chicago, dann in Paris stattfinden und anschließend beim UNESCO -Symposion für Felskunst gezeigt werden würde. Ardjani, Digger und Lucky Dodds würden hinreisen, zusammen mit Daisy Moorroo, die soeben aus New York zurückgekehrt war, wo man ihre feinstrichigen Bilder von der Kimberley als neue Kunstentdeckung bejubelt hatte.
Außerdem waren Pläne für ein Filmprojekt in Vorbereitung, die vorsahen, die Lieder, Tänze, die Kunst und die Geschichten der Barradja unter der Schutzherrschaft der Buschuniversität, der Barradja-Stiftung und des Nationalen Kulturerbe-Zentrums aufzuzeichnen. Alistair erklärte, inwiefern die Barradja-Stiftung als Kulturbewegung ein Signal für den zukünftigen Austausch zwischen Australien und dem Rest der Welt setzen könnte.
»Ich glaube, wir sind an einem Punkt in unserer Geschichte angelangt, an dem wir bereit sind zu akzeptieren, dass die indigenen und die multikulturellen Völker – Europäer und Asiaten, die sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten hier niedergelassen haben – allesamt Australier genannt werden können. Dank kleiner, aber bedeutsamer Neuerungen wie der Buschuniversität beginnen wir das neue Jahrtausend als eine Nation, die alle ihre Völker feiert, genau wie das Land, das sie miteinander teilen.« Veronica stieß Susan an. »Redet ihr Anwälte immer so beim Frühstück? Warum könnt ihr nicht einfach sagen: ›Reich mir bitte das Salz‹?«
Susan grinste. »Um Himmels willen, nein! Wir werden schließlich für unsere Worte bezahlt, wusstest du das nicht? Je verworrener, desto besser!«
»Braves Mädchen, Susan, du hast die Regeln wirklich verinnerlicht!«, sagte Mick neben ihr kichernd.
»Ich sollte keine Rede mehr halten. Reich mir bitte den Teekessel.« Alistair gab sich Mühe, eine beleidigte Miene aufzusetzen.
»Kommt Andrew auch?«, fragte Billy.
»Das hatte er vor. Er will auch seinen Bruder Julian mitbringen.«
»Dürfen wir uns nach dem Stand der Dinge zwischen Susan und Andrew erkundigen?«, hakte Beth mit hochgezogener Augenbraue nach.
»Dürft ihr schon, aber es gibt nicht viel zu berichten. Es war auf jeden Fall ein ereignisreiches Jahr.« Susan
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