Im Licht der roten Erde
Es herrschte nicht viel Betrieb an Bord, nur auf wenigen Schiffen waren Menschen zu sehen. Es war Cocktail-Stunde, und unbeschwertes Gelächter schallte aus dem Jachtklub zu ihnen herüber.
»Beth hat mich gefragt, warum du nicht mit uns in die Kimberley kommst«, sagte Susan. »Ich verstehe nicht, weshalb du zögerst. Nenn mir drei gute Gründe.«
»Ist einer nicht genug?«
»Und welcher ist das?«
»Das In-vitro-Fertilisationsprogramm. Ich muss mir jeden Morgen Hormone spritzen, bis meine Eier herangereift sind. Die Hormone müssen kühl gehalten werden. Außerdem ist meine Periode unregelmäßig, und es muss genau am richtigen Tag erfolgen, es ist also alles sehr kompliziert.«
»Aber nicht unmöglich. Beth hat mir gesagt, es gibt eine Kühlmöglichkeit in dem Van, den sie gemietet hat. Du könntest deine Spritzen mitbringen und rechtzeitig in die Klinik zurückfliegen. Ich denke, es würde dir guttun, für zwei Wochen aus deinem gewohnten Trott herauszukommen. Mal an etwas anderes zu denken als daran, schwanger zu werden.«
»Oder nicht schwanger zu werden«, seufzte Veronica. Susan war berührt von der Traurigkeit in ihrer Stimme. Sie wusste, dass dies Veronicas letzte Chance war, das hatten die Ärzte gesagt. Auch Boris hatte das gesagt, in erster Linie deshalb, weil er die Qual nicht länger ertragen konnte, die Veronica Monat für Monat litt, wenn es wieder nicht geklappt hatte.
»Ich muss mich wohl damit trösten, die Tante deiner Kinder zu werden«, sagte sie mit einem verzagten Lächeln zu Susan.
»Ich denke, das liegt für mich noch in weiter Ferne. Zumindest hast du den richtigen Mann gefunden.«
»Viele Frauen halten sich nicht mehr an diese Reihenfolge«, sagte Veronica. »In der Klinik bin ich so einigen jungen Frauen begegnet, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen wollen, weil sie sich ein Baby wünschen, aber nicht den passenden Vater dazu finden. Die Ehe ist dabei kaum noch von Bedeutung.« Einen Moment saßen sie schweigend nebeneinander. »Was ist nur mit uns Frauen passiert?«, fragte Veronica schließlich, wohl wissend, dass es keine einfache Antwort darauf gab.
»Ich freue mich jedenfalls auf diese Reise in die Kimberley.« Susan stellte fest, dass sie langsam aufgeregt wurde.
»Wirst du Andrew auf seiner Station besuchen?«
»Ich werde ein paar Tage dort verbringen, bevor die Gruppe zusammentrifft. Von Yandoo aus fahre ich weiter nach Kununurra, so dass wir uns dort treffen können.«
»Eigentlich ist das nicht meine Vorstellung von einer Auszeit.« Veronica gab sich Mühe, unbeschwert zu klingen.
»Meine auch nicht!« Susan betrachtete ihre Freundin. »Ich würde die Erfahrung gern gemeinsam mit dir machen.« Eine plötzliche Eingebung traf Susan wie ein Blitz, doch sie konnte sie nicht recht einordnen. »Vielleicht reise ich dorthin, eben weil ich dich mitnehmen muss. Klingt das irgendwie logisch?«
Veronica lachte. »Nein.«
»Denk darüber nach.«
»Okay. Ich werde mit Boris reden.«
Beth hielt den staubigen Wagen in dem Städtchen Marrenjowan an – ein Streifen rissigen Asphalts, gesäumt von ein paar Geschäften, einem Gemischtwarenladen mit Postamt, einer Tankstelle und einer Funkzentrale sowie einem Verwaltungsgebäude, in dem auch das Büro des
land council
untergebracht war. Beth deckte sich im Laden mit Tee, Zucker, Orangen, Softdrinks und einer Stange Zigaretten ein. Sie selbst rauchte nur gelegentlich, meistens Selbstgedrehte, doch sie kaufte immer Filterzigaretten als Geschenk für die Männer.
Hundert Kilometer weiter gelangte sie zum Rand des Marrenyikka-Reservats, Ardjanis Winterlager während der Trockenzeit. Es war mit verrosteten Benzinfässern und Rollen von neuem Stacheldraht kenntlich gemacht, dessen eigentlicher Zweck nie näher erläutert worden war – von den Behörden ausrangiert, hatte man ihnen mitgeteilt. Ein kaputtes Sofa stand einsam in der Landschaft.
Beim Anblick des Wagens fingen Kinder und Hunde an zu rennen – eine Kakophonie aus Geschrei und Gebell. Als die Kinder – manche in kurzen Hosen, manche in Trainingshosen, alle barfuß – bei ihr angelangt waren, hielt sie an und stieg aus, um Umarmungen auszutauschen. Anschließend drängten sich so viele Kinder, wie nur hineinpassten, in den Wagen, um wild aus allen Fenstern zu winken. Das Kind neben Beth, das sich zusammen mit drei anderen auf den Vordersitz gequetscht hatte, schob sich über ihren Schoß, um aus dem Fahrerfenster einem Freund etwas
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